Riedhammer, Arnold F.

The „Somewhat Different Technical Snare Drum Method“

Rubrik: Noten
Verlag/Label: AFR Music, München 2018
erschienen in: üben & musizieren 4/2019 , Seite 60

„Die meisten Trommler haben ei­ne Hau-Drauf-Mentalität und ihre mangelnden technischen Fähigkeiten stehen weit hinter denen anderer Instrumentalisten zurück.“ So lautet die vernichtende Kritik des Schlagzeugers George Lawrence Stone (1886-1967) an der eigenen Zunft, mit der er das Vorwort seiner Trommelschule Stick Control for the Snare Drummer im Jahr 1935 beginnt. Als Therapie für den diagnostizierten Missstand lieferte Stone in seinem Werk höchst Erstaunliches. Schlägt man es auf, sieht man auf den ersten Seiten ausschließlich Achtelketten auf einer einzigen Notenlinie, versehen mit Hunderten von Handsatzvariationen: RLRL, RRLL, RLRR… Und es heißt: „Nur durch regelmäßige und systematische Arbeit bleibst du in Form.“
In ihrer Gänze sind die Übematerialien von Stone ext­rem trockener Stoff, deutlich schlimmer noch als z. B. die Hanon-Klavierübungen und ganz offensichtlich schülerfeindlich. Dennoch gilt Stick Control in Fachkreisen als das einflussreichste und wichtigste Schlagzeugschulwerk aller Zeiten. Und in der Tat: Lässt man sich mit sehr viel Geduld auf das Exerzitium ein und wiederholt mehrhundertfach mant­ra­artig die einzelnen Zeilen bei unterschiedlichen Tempi und variierter Dynamik, so erlebt man das Versprochene: Flexibilität, Anschlag, Rhythmus, Leichtigkeit, Kraft, Ausdauer, Präzision und muskuläre Koordination werden verbessert, die Kontrolle über die Sticks wächst.
Ebenfalls in Richtung der spieltechnischen Schulung arbeitet Arnold F. Riedhammer, langjähriger Schlagzeuger der Münchner Philharmoniker und Professor an der dortigen Musikhochschule, mit seiner im Selbstverlag erschienenen Somewhat Different Technical Snare Drum Method. Der Unterschied zu Stone besteht allerdings darin, dass er nicht systematisch vorgeht, sondern stattdessen mit sorgfältig ausgewählten Übezeilen arbeitet, die jeweils eine bestimmte technische Herausforderung angehen. Auf diese Art und Weise reduziert er den Umfang zu einem schmalen Heft, mit dem er den Übenden (Zielgruppe sind fortgeschrittene Jugendliche mit guter Anleitung, Musikstudierende und Profis) ein überschaubares Material für den alltäglichen Gebrauch zur Verfügung stellt.
Übungen für die linke und die rechte Hand, gepresste und offene Wirbel sowie Verzierungsva­rianten, das wird – und da ist er ganz bei Stone – in allen nur denkbaren Variationen gespielt: „as fast as you can play accurately“. Den Abschluss der kleinen Trommelschule bilden eine dreiseitige Probespiel-Etüde und ein kleiner Drum+Bass-Rausschmeißer, die die spieltechnischen Herausforderungen noch einmal bündeln und als kleine Konzertstücke die Trommler und das Publikum erfreuen werden.
Die Stick Control nach mehr als 80 Jahren einmal neu gedacht zu haben, war eine gute Idee. Die Trommlerzunft dankt, „have fun and good luck!“
Stephan Froleyks