Cornick, Mike
Three Latin Sketches
for alto saxophone and piano
Eine Spur Latin Jazz zieht sich durch die zahlreichen Klavierschulen und -sammlungen von Mike Cornick. Die Besetzung mit Bläsern hingegen kommt selten vor. Umso reizvoller ist Cornicks erste Komposition für Altsaxofon und Klavier, die er dem Solisten Mark Walton widmet. Hier schreibt ein herausragender Klavierpädagoge für einen nicht minder exzellenten Bläserpädagogen. Der lebhafte, gut ausbalancierte Dialog zwischen Saxofon und Klavier scheint dies widerzuspiegeln.
Das gemeinsame rhythmische Fundament von Melodie und Begleitung ist ganz klar der Son als Urvater der Latino-Musik. Formal sind die Three Latin Sketches in zwei schwungvolle Allegro-Sätze und einen ruhigen Mittelsatz gegliedert. Im Kopfsatz verschmelzen mehrschichtige, synkopenreiche Rhythmusfiguren aus Samba, Bossa Nova und Calypso mit einer kurvenreichen, chromatischen Melodie. Die kurzen Vorschläge bieten eine zusätzliche Nuance. Nach einer kleinen Atempause taucht das Saxofon in die sentimentale Atmosphäre des Tangos ein, die durch eine konstante Mollfärbung gesteigert wird.
Die zweite Skizze bringt ebenfalls wenige Intervallsprünge, somit kann die Konzentration voll und ganz auf die stilistischen und rhythmischen Eigenheiten des Tanzes gelenkt werden. Die schwelgende Melodie des Saxofons ist weniger ernst und scheint von der Klangvorstellung eines Bandoneons inspiriert zu sein. Ausdrucksvolle Dynamik und perkussive Klavierbässe unterstreichen das lateinamerikanische Kolorit.
Die dritte Skizze hält ihre Leichtigkeit und Heiterkeit von Anfang bis Ende konsequent durch. Die Intensität des emotionalen Gehalts wirkt im Vergleich zu den vorangehenden Sätzen deutlich zurückhaltender. Die reduzierte Synkopierung trägt sicherlich dazu bei. Die Überlagerung von binären mit ternären Rhythmen bleibt auch diesmal nicht außen vor. Der kaum modulierende Satz zeigt starken Dur-Charakter. Das Wechselspiel fließender Legato-Bögen mit knappen, spritzigen Staccato-Partien verleihen der Melodielinie einen tänzelnden Zug. Die Aufforderung zum Rumba ist mehr als offensichtlich. Der vitale Quartsprung aufwärts im Saxofon markiert Beginn und Schluss des Satzes.
Spieltechnisch mitunter herausfordernd legt die Komposition im mittleren Schwierigkeitsgrad ihren Fokus auf Rhythmik und Stilistik. Um sich mit den speziellen Phrasierungsregeln vertraut zu machen, bieten die drei Skizzen eine reiche Auswahl an typischen Tanzrhythmen. Die Patterns ziehen sich über ein bis drei Takte und eignen sich besonders gut zum separaten Üben. Eingestreute Septakkorde in Melodie und Begleitung vermitteln außerdem ein leichtes Jazz Feeling, das in Kombination mit den energischen Latino-Rhythmen dem Austasten der emotionalen Klangqualitäten des Saxofons Vorschub leistet. Das Changieren zwischen den Temperamenten bietet eine weitere Möglichkeit, individuelle Ausdrucksvarianten zu entdecken.
Juliane E. Bally