Androsch, Peter

Toy Music

Sieben Streiche für verrückte Kinder für Violoncello und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Doblinger, Wien 2012
erschienen in: üben & musizieren 4/2013 , Seite 62

Hundert Jahre nach der Verherrlichung der Maschine im „Futuristischen Manifest“ von 1909 holte der Komponist und Performer Peter And­rosch zum Gegenschlag aus: „Das Irrenhaus der Akustik ist bevölkert von Parasiten: […] Klingeltöne nisten sich ein in den Gehörgängen. Weg damit! Der Mensch hat das Recht, bei dem, was in seine Ohren eindringt, demokratisch mitzubestimmen und es selbst mitzugestalten. Wir fordern eine neue Politik!“
Dieses „Akustische Manifest“ ge­hörte zu den publicityträchtigsten Aktionen rund um die musikalischen Aktivitäten der europäischen Kulturhauptstadt Linz 2009, die von Androsch koordiniert wurden. Der 1963 geborene Österreicher ist indes nicht nur mit starken Worten an die Öffentlichkeit getreten: Sein Werkkatalog enthält Bühnenwerke, Video- und Mul­timedia-Arbeiten, aber auch ­Orchester- und Kammermusik­werke.
Dass Humor und Ironie keine geringe Rolle in seinem Schaffen spielen, spiegelt auch Toy Music wider. „Wie Spielzeuge“, so der Komponist, „können die einzelnen Stücke hergenommen, montiert, wieder verworfen werden.“ Der Anordnung der sieben „Streiche“ liege keine dramaturgische Idee zu Grunde, sie können anders gruppiert oder – Zitat Androsch – „begonnen und sogar mittendrin abgebrochen“ werden. Weiter heißt es, die Stücke seien „Ausdruck des etwas Abseitigen und Unfertigen“. Koketterie? Zielt der Komponist auf einen „Freispruch erster Klasse“ vor Prozessbeginn?
Die sieben kleinen Stücke vermitteln durchaus nicht den Eindruck eines „unfertigen“ Komponisten! Sie sind gut ausgehört, operieren teils mit einfachen, repetitiven Rhythmus- und Harmonie-Mustern, teils aber auch mit komplexeren Strukturen. Wir wandeln auf den Spuren des Jazz, begegnen Einflüssen des Bartók’schen Mikrokosmos und erfahren in den „Senza ­Misura“-Passagen des dritten Stücks einen sanften Einstieg in Patterns der Neuen Musik.
Apropos: Wer ist wir? Handelt es sich um Musik für Kinder, geeignet für den Instrumentalunterricht? Bedingt: Der Klavierpart enthält kaum technische Schwie­rigkeiten, allenfalls das dritte Stück ist ein bisschen trickreich. Der Cellopart hingegen ist in seiner Gänze nur fortgeschrittenen SchülerInnen zugänglich. Der komplette untere Lagenbereich sowie (in Nr. 2) die Daumenlage bis zum e” sollten abrufbar sein, außerdem rhythmische und lagenwechseltechnische Behändigkeit.
Ein Ärgernis dieser Publikation besteht in einer Reihe offensichtlicher sowie mutmaßlicher Druckfehler: Der Kontext legt nahe, dass etwa die erste Viertongruppe im Cellopart von Nr. 1 wie folgt heißen sollte: e-dis-f-ges. In den Noten jedoch findet sich die sinnlose Tonfolge f-eis-f-ges. Eine Reihe weiterer, sehr fragwürdiger Stellen ließe sich anführen, sodass hiermit Komponist und Verlag eindringlich um Korrektur und Neuauflage gebeten seien!
Gerhard Anders