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Bossen, Anja

Umdenken im Kopf!

Der Fachkräftemangel zeigt: Die Kulturelle Bildung ist in der Krise

Rubrik: Kulturpolitik
erschienen in: üben & musizieren 6/2023 , Seite 54

Das Wort „Fachkräftemangel“ hat gute Aussichten, es zum „Wort des Jahres 2023“ zu bringen, denn es ist in aller Munde. Ob im Gaststätten­gewerbe, im Gesundheitswesen, im Baugewerbe oder auch in der Bildung – überall ­mangelt es an Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten wollen. Offenbar sind diese Berufs­felder so unattraktiv, dass die Suche nach Alternativen lohnend erscheint. Zunehmend zeigt sich dies auch in der Kulturellen und damit in der Musikalischen Bildung.

Musikhochschulen beklagen zurückgehende Bewerberzahlen für musikpädagogische Studiengänge, und auch in Aufnahmeprüfungen an Universitäten, die für das Lehramt im Fach Musik an allgemein bildenden Schulen ausbilden, zeigt sich, dass es immer schwieriger wird, geeignete BewerberInnen zu finden. Dies zeichnet sich bereits seit mehreren Jahren ab, doch hat die Corona-Pandemie dazu beigetragen, die Situation weiter zu verschärfen. Zum einen fand während der Pandemie aufgrund der Lockdowns kaum noch musikalische Bildung statt, zum anderen hat die Situation der MusikpädagogInnen während der Pandemie deutlich gezeigt, in welch prekären Verhältnissen sich viele Kulturschaffende trotz der staatlichen Corona-Hilfen befinden. Wie im Gaststättengewerbe oder in anderen Branchen sind dementsprechend viele MusikpädagogInnen auf andere Berufsfelder umgestiegen, um sich eine besser gesicherte Existenz und eine längerfristige berufliche Perspektive aufzubauen. Aber auch der Nachwuchs fehlt, denn wenn während der Corona-Jahre keine musikalischen Angebote stattfinden, kann auch niemand den Gedanken fassen, die Musikpädagogik zu seinem Beruf zu machen.
Die Musikschulen stehen nun ebenso wie der schulische Musikunterricht vor dem massiven Problem, dass es immer schwieriger wird, gut ausgebildete Fachkräfte zu finden – und zwar nicht nur im ländlichen, sondern mittlerweile auch im städtischen Raum. Nicht von ungefähr hat bereits im Herbst 2020 der Verband deutscher Musikschulen (VdM) mit seiner Stellungnahme „Personalentwicklung und Nachwuchsgewinnung – Fachkräftemangel entgegentreten!“1 dem Thema hohe Priorität eingeräumt. Als Lösungsansätze werden dort vor allem Fort- und Weiterbildung, aber auch ein anderer Umgang mit den Aufnahmeprüfungen benannt, bei denen die didaktischen Anteile, die später für den Beruf als Musikschullehrkraft maßgeblich sind, eine stärkere Gewichtung gegenüber den künstlerischen Prüfungsanteilen erhalten sollen. Doch auch eine Verbesserung der Bezahlung und der sozialen Absicherung werden vom VdM gefordert.

­Rahmenbedingungen verbessern

In der Tat dürften Bezahlung und soziale Absicherung entscheidende Kriterien sein, sich für oder gegen den Beruf MusikschullehrerIn zu entscheiden. Doch obwohl dies bereits seit Jahrzehnten sowohl von Gewerkschaften als auch von Berufsverbänden gefordert wird, scheint sich in der Realität nichts zu bewegen. Noch immer müssen Honorarkräfte gerichtlich vorgehen, um möglicherweise mittels einer Klage im Einzelfall eine Festanstellung zu bekommen. Noch immer liegen Honorare teils auf einem beschämend niedrigen Level und werden jahrelang nicht nennenswert erhöht. Und noch immer werden Honorarverträge jährlich befristet, gibt es keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, werden Ferien nicht durchbezahlt und wird über die Zahl an SchülerInnen, die eine Lehrkraft maximal unterrichten darf, nach Kassenlage entschieden, was zu schwankenden und unsicheren Einkommen führt. Auch die Aussicht auf Bürgergeld im Alter ist nicht gerade motivierend.

1 www.musikschulen.de/medien/doks/Positionen_Erklaerungen/vdm-positionspapier-personalentwicklung-beschluss-bundesversammlung-3-10-2020.pdf (Stand: 18.10.2023).

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