Engelhardt, Sandra
Und täglich grüßt das Murmeltier…
Über das Zusammenspiel von Üben, Selbstwirksamkeitserleben und Motivation
Interessant, wenn ein Filmtitel in den allgemeinen Sprachgebrauch übergeht… Sicher haben auch Sie bei dieser Überschrift vermutet, dass es in diesem Beitrag um sich wiederholende Abläufe gehen wird. Um das Gefühl, in einer Endlosschleife aus alltäglichen Routinen gefangen zu sein. Denn mal ganz ehrlich, kennen Sie nicht auch diese Déjà-vu-Momente, wenn Sie im Unterricht plötzlich denken: Habe ich nicht genau diese Frage schon einmal beantwortet? Ist das tatsächlich schon wieder eine Woche her?
Verstehen Sie mich nicht falsch – ich möchte keinesfalls den Alltag mit seinen Routinen in ein schlechtes Licht rücken! Regelmäßige Abläufe, wiederkehrende Situationen oder Zusammenhänge und schon einmal (so ähnlich) erlebte Momente geben uns Handlungssicherheit. Sie sind entlastend, weil wir uns nicht ständig auf neues und unbekanntes Terrain begeben, nicht ununterbrochen Entscheidungen treffen, nach unserer Rolle suchen oder mit unerwarteten Reaktionen zurechtkommen müssen.
Problematisch wird es, wenn genau diese positiven Punkte im Zusammenhang mit den alltäglichen Abläufen als Belastung erlebt werden. Wenn ich mich nur schwer aufraffen kann, zum Unterricht oder zur Probe zu fahren, weil „es doch irgendwie immer das Gleiche ist“. Wenn ich schon beim Gedanken an „eine Stunde üben – mindestens!“ von einer bleiernen Müdigkeit erfasst werde und gleichzeitig das Gefühl habe, dass dies eigentlich nicht sein dürfte…
Und unseren Schülerinnen und Schülern geht es bestimmt nicht anders. Dieses große „Eigentlich“, das zusätzlich zu den Alltagserledigungen, Schulaufgaben und Sportaktivitäten die Beschäftigung mit dem Instrument zu einer unliebsamen werden lässt. Obwohl es doch eigentlich Spaß macht. Obwohl unsere Schülerinnen und Schüler doch eigentlich nach der Unterrichtsstunde immer „voll Lust haben“. Obwohl doch die Ensemblestunden und die Auftritte mit der Gruppe zu den Highlights des Jahres gehören – eigentlich.
Zum Üben motivieren
Wie also kann es gelingen, dass die Übezeit für unsere Schülerinnen und Schüler nicht zu einem negativ besetzten Murmeltiertag-Erlebnis wird? „Wenn ich keine Gummibärchen verteilen würde, dann würden die wahrscheinlich gar nicht mehr üben.“ Diese Bemerkung warf eine Teilnehmerin eines meiner Workshops neulich in die Runde. Wir tauschten uns gerade darüber aus, wie wir unsere Schülerinnen und Schüler zum Üben „ermuntern“. Und es machte sich allgemein ein mulmiges Gefühl breit, da anscheinend alle davon ausgehen, dass ohne die Aussicht auf eine Belohnung keiner der Schüler wirklich üben würde.
Aber wäre es nicht wunderbar, wenn sie das Musizieren als so erfüllend erleben könnten, dass sie allein schon die Beschäftigung mit dem Instrument, mit dem zu lernenden Stück als glück- und freudebringend kennenlernen? Dass sie sich beschenkt fühlen? „Aber Üben macht halt keinen Spaß, da muss man erstmal durch. Und wenn man dann sein Instrument beherrscht, dann kann man auch die Musik genießen. Doch so weit kommen die meisten ja gar nicht.“ Nach diesem Einwurf einer anderen Teilnehmerin war die Stimmung am Tiefpunkt. Resignation pur, Erinnerung an den eigenen Lernweg (der auch hart und steinig war), allgemeine Gesellschaftskritik (heute kann ja keiner mehr Durststrecken aushalten), Hilflosigkeit. Und dann die Frage an mich, vor der ich mich als Workshopleiterin immer ein bisschen fürchte: „Und wie machen Sie das?“
Nun, auch ich habe noch kein Zauberpulver erfunden, das ich am Ende der Stunde über meine Schülerinnen und Schüler streue und das die Freude und das Interesse am Flötespielen über die Woche bis zur nächsten Unterrichtsstunde wachhält. Und wir können als Instrumentalpädagoginnen und -pädagogen in der kurzen Zeit, die wir jeweils mit den Kindern zu tun haben, auch schwerlich allgemein erlernte Motivations- oder auch Belohnungsmuster grundlegend umgestalten. Was ich versuche, ist, eine Insel zu schaffen. Ihnen neben dem Erlernen des Instruments die Idee zu vermitteln, dass sie sich an ihren eigenen Leistungen erfreuen können. Dass Lernen nicht gleichbedeutend ist mit: keine Fehler machen. Statt „das kann ich nicht“ ein „das kann ich noch nicht“ zu denken. Dass sie lernen, sich selbst Ziele zu stecken, sich selbst zu beobachten – und das, ohne zu beurteilen.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2020.