Ungewohnte Klänge

Klavierstücke für Kinder und Jugendliche, hg. von Nathalie Fey Yen Herres, Band 1: Un­gewohnte Rhythmen/Band 2: Ungewohnte Klänge/Band 3: Ungewohnte Techniken/Band 4: Spielstücke

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Verlag Neue Musik, Berlin 2016
erschienen in: üben & musizieren 1/2019 , Seite 57

Die vier Bände der Reihe Ungewohnte Klänge entstanden in mehrjähriger Arbeit der Lübecker Kompositionsklasse von Dieter Mack auf Initiative der Herausgeberin und Komponistin Nathalie Fey Yen Herres. Entstanden ist ein umfangreiches Kompen­dium zeitgenössischer Klavierstücke, dabei auch einige vierhändige, das sich an Klavierschü­lerInnen der Mittelstufe richtet. Vorbilder zu den Übungs-, Charakter- und Vortragsstücken bilden Werke der etablierten Komponisten der Moderne wie Bartók, Ligeti, Boulez, Messiaen oder Stockhausen und deren Spiel- und Kompositionstechniken.
Wer Materialien sucht, die zur zeitgenössischen Musik führen bzw. schon mittendrin stehen, wird in den vier Heften einiges Anregende entdecken und entsprechend dem jeweiligen Stand der SchülerInnen zusammenstel­len können.
Im ersten Band werden häufige Taktwechsel, zusammengesetzte Rhythmen, polyrhythmische Mus­ter und die valeurs ajoutées trainiert. Dazu gibt es instruktive Texte der Herausgeberin und zahlreiche Spielstücke mit charakteristischen Titeln. Bartóksche Intervallbildungen, Bitonalität, Resonanzklänge und Möglichkeiten der Präparation des Flügels werden im zweiten Heft behandelt. Bei den ungewohnten Techniken des dritten Bandes sind die Stücke mit den freitonalen Arpeggien besonders interessant. Zur Technik der touches bloquées, bekannt geworden durch Ligetis gleichlautende Etüde, gibt es leicht zu spielende Beispiele. Allerdings fehlen in Planetary Romance in Takt 13 zwei Rauten für das „blockierte“ d” und in Goblins II in den Takten 16 bis 19 vier Rauten für das g. Im Takt 22 des selben Stücks gibt es dann drei Rauten für das c, das aber gar nicht durch die andere Hand gehalten ist. Weiter werden in diesem Band extreme Lagenwechsel, gleitende Tempoübergänge, differenzierte Clusterbildungen und freie Spielweisen behandelt.
Band 4 enthält Spielstücke, die bei Schülerkonzerten oder „Jugend musiziert“ eingesetzt werden können. Pianistisch äußerst ansprechend ist Die Waage von Katharina Haak mit ihren rhythmisch verschachtelten, bitonal angelegten Bewegungen und den minimalistischen Veränderungen, sowie Der Zauberleuchtturm von Nathalie F. Y. Herres, klanglich reizvoll und aus verschiedenen Ostinatofiguren entwickelt. Die beiden vierhändigen Spielstücke Der Ritt und Gutgôri von Ryu Tchangsun bieten interessante rhythmische Varianten und leicht zu erfassende Quartklänge.
Im Hinblick auf die Zielgruppe wären genau ausgearbeitete Fingersätze und konkreter notierte Pedalzeichen hilfreich gewesen. Ungewohnte Klänge ist eine äußerst anregende Sammlung und bietet mannigfaltige Materialien für diejenigen, die zeitgenössische Musik in ihren Klavierunterricht integrieren wollen.
Christoph J. Keller