Scheinpflug, Gabor
ver.di macht Musik
Die Fachgruppe Musik der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
Eine große klassische Gewerkschaft und Musik? Geht das zusammen? Ja! Denn zunehmend prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen kennzeichnen auch und besonders die Kulturbranchen. Von Stückverträgen bis Honorarbeschäftigung, von Nichtanerkennung von Arbeitsleistungen bis zum Wegfall jeglicher sozialer Absicherung und drohender Altersarmut: Fast jede Musikerin und jeder Musiker kann das sprichwörtliche Lied davon singen. Dabei ist es im Grundsatz auch unerheblich, ob man zu dem immer größer werdenden Heer der (unfreiwillig) Selbstständigen gehört oder aber die Vorzüge einer Festanstellung genießen darf. Beide Gruppen werden mit einer sich rasant verändernden Arbeitswelt und häufig sich dabei verschlechternden Arbeitsbedingungen konfrontiert.
Hier braucht es dringend eine starke gesellschaftliche Gegenkraft. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisiert in der Fachgruppe Musik alle in Musikberufen Tätige, egal ob angestellt oder frei, ob Musiker oder Wissenschaftlerin, Komponistin oder Bandmitglied. Zusammen mit allen in ver.di und ihren Partnergewerkschaften Organisierten kämpfen wir für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Dabei vertritt die Fachgruppe Musik die beruflichen und arbeitsrechtlichen Interessen aller Angehörigen von Musikberufen in den Kommunen und Ländern, bundesweit und auch international.
Die sich daraus ergebenden Aufgaben der Fachgruppe sind so vielfältig und facettenreich wie die Tätigkeiten unserer Kolleginnen und Kollegen. Sei es die Tarifarbeit für Angestellte oder die Unterstützung bei Fragen des Vertragsschutzes oder des Urheberrechts für die Freien. Sei es politische Lobbyarbeit oder auch die Arbeit in den Personalvertretungen und Betriebsräten. Dafür arbeitet die Fachgruppe Musik auch eng mit den Fachgruppen Theater und Bühnen, Darstellende Kunst, Literatur (VS) und Bildende Kunst zusammen. Unter dem Motto: „Wer für die Musik lebt, soll auch von der Musik leben können!“ ist es das Ziel, die Arbeits-, Einkommens- und sozialen Bedingungen zu verbessern.
Beispiele und Erfolge
Aktuelles Beispiel dieser Arbeit ist die derzeit in Vorbereitung befindliche, nunmehr dritte bundesweite Umfrage zu „Einkommenssituation und Arbeitsbedingungen von Musikschullehrkräften und Privatmusiklehrern“. Wie schon bei den Umfragen 2008 und vor allem 2012 soll diese nicht nur die aktuelle Situation bzw. die Entwicklung mit belastbaren Zahlen und Fakten aufzeigen, sondern dient auch als Grundlage der Diskussion auf allen politischen Ebenen.
Noch nicht so lange her ist ein bemerkenswerter Erfolg der Kolleginnen und Kollegen der Jugendmusikschule Hamburg. Nach über zwei Jahren mit Aktionen und sogar einem einwöchigen Arbeitskampf, der durch viele Lehrkräfte und die beteiligten Gewerkschaften ver.di und GEW getragen wurde, konnte 2014 ein Eingruppierungsvertrag und damit für viele KollegInnen eine höhere Eingruppierung (EG 10 nach TV-L) erreicht werden. Bemerkenswert war jedoch nicht nur das Ergebnis, sondern noch mehr die Tatsache, dass es bundesweit erstmalig gelungen ist, für angestellte Lehrkräfte im öffentlichen Dienst einen Eingruppierungsvertrag abzuschließen. Bis dato fand die Zuordnung der Entgeltgruppe im Tarifvertrag der Länder einseitig durch eine Arbeitgeberrichtlinie statt.
Eine Voraussetzung für diesen Erfolg war das enorme Engagement der Mitglieder der Fachgruppe Musik an der Jugendmusikschule Hamburg, eine weitere der hohe Anteil an organisierten Kolleginnen und Kollegen. Erst das machte die Aktionen und auch die Streiks „schlagkräftig“. Zwei Jahre danach hat dieses Beispiel auch für die Berliner Musikschullehrerinnen und -lehrer Schule gemacht. Auch hier konnte ein Tarifvertrag erkämpft werden − allerdings natürlich immer nur für die angestellten Kolleginnen und Kollegen.
Prekäre Beschäftigung
Und genau das führt zu einem Problem, das für die ver.di-Fachgruppe Musik schon seit Jahrzehnten Thema ist und aktuell akuter ist denn je. Die Rede ist von der immer größer werdenden Gruppe der prekär beschäftigten Kolleginnen und Kollegen. „Prekär“ meint nicht nur die größtenteils nach Steuern, Sozialabgaben und „Betriebsausgaben“ nur unwesentlich über dem Mindestlohn liegenden Einkommen, sondern vor allem die fehlende soziale Absicherung und Perspektive. Keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein bezahlter Urlaub, kein Mutterschutz… Und das bei hochqualifizierten AkademikerInnen mit der längsten Berufsausbildung überhaupt und in Verantwortung für Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, Menschen mit und ohne Behinderung oder in mittlerweile erheblichem Umfang auch für Geflüchtete.
Die Fachgruppe arbeitet seit vielen Jahren daran, diese unwürdigen Zustände in das Blickfeld unserer Gesellschaft und der politischen Entscheidungsträger zu bringen. Auch und gerade in Berlin scheint der nun seit Jahren währende Kampf der „Freien“ erste Erfolge hervorzubringen. Erstmals ist der Berliner Senat bereit, Tarifverhandlungen auf der Basis des § 12a Tarifvertragsgesetz (arbeitnehmerähnliche Personen) aufzunehmen, und eröffnet damit dem größten Teil der betroffenen Kolleginnen und Kollegen die Chance, von Regelungen zur sozialen Absicherung ganz ähnlich eines „normalen“ Tarifvertrags zu profitieren.
Scheinselbstständigkeit
Darüber hinaus ging die Fachgruppe Musik schon immer davon aus, dass diese Art der Beschäftigung rechtlich bedenklich ist. Ob als Honorarlehrkräfte an den Musikschulen oder als Lehrbeauftragte an den Hochschulen und Universitäten − oft sind die Verträge von solchen Lehrkräften so formuliert, dass von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen wird. Ein genauer Blick auf die Vertragsgestaltung lohnt sich aber: Vielfach ergibt nämlich eine genaue Prüfung gerade bei auf Honorarbasis Beschäftigten an den Musikschulen, dass tatsächlich ein Angestelltenverhältnis vorliegt – mit allen sich daraus ergebenden Vorteilen. Und das sehen immer häufiger auch Sozialgerichte und Arbeitsgerichte so. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellt die Entscheidung eines Landessozialgerichts (LSG NRW vom 6.7.2016 – L 8 R 761/14) dar, wonach ein Gitarrenlehrer erheblichen vertraglichen Vorgaben unterworfen und insbesondere durch die Rahmenlehrpläne gebunden war. Daher stellte das Landessozialgericht eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Musikschule fest und damit ein Beschäftigungsverhältnis.
Unterstützung vor Ort
Aber auch vor Ort und quasi „im Kleinen“ unterstützen Aktive der Fachgruppe tagtäglich Kolleginnen und Kollegen. Das beginnt bei fachlichem Austausch oder der Information über aktuelle Aktionen und rechtliche Rahmenbedingungen, führt über die Unterstützung bei betrieblichen Vorhaben wie der Gründung von Betriebs-, Personalräten oder sonstigen Vertretungen bis hin zur Unterstützung bei rechtlichen Streitigkeiten oder dem Erkämpfen eines Haustarifvertrags.
Gerade die Arbeit vor Ort, die maßgeblich von ehrenamtlichen Mitgliedern getragen wird, ist für die unzähligen Kolleginnen und Kollegen in prekären Beschäftigungsverhältnissen wichtig, da besonders dort einerseits die persönliche Lage meist sehr schwierig ist und zudem das Tätigkeitsumfeld dafür sorgt, dass sie kaum die Chance zur innerbetrieblichen Organisation haben.
Ein häufig vor Ort auftretendes Problem ist z. B. der sogenannte Ferienüberhang. Oft einseitig vom Arbeitgeber und zudem pauschal für das gesamte Kollegium festgelegt, entstehen dadurch immer wieder Konfliktpunkte. Hier steht die Fachgruppe Musik den Kolleginnen und Kollegen mit Know-how und immer häufiger auch als Personalrat innerbetrieblich zur Seite.
Auch ver.di-Betriebsgruppen sind für die innerbetriebliche Unterstützung eine gute Alternative. Sie begegnen nicht nur dem gerade unter MusikerInnen weit verbreiteten Einzelkämpfertum, sondern geben organisierten Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit, sich in einer demokratischen und solidarischen Gemeinschaft für die eigenen, aber auch die Bedürfnisse anderer zu engagieren.
Weitere Informationen über die Arbeit der ver.di-Fachgruppe Musik unter www.musik.verdi.de