Kämper, Julian

Verbindendes Akkordeon

Jubiläumssymposium des Deutschen Akkordenlehrer-Verbands e. V. (DALV) in der Frankfurter Musikschule

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 2/2024 , Seite 53

Die hessische Metropole Frankfurt ist geografisch zentral gelegen und war deshalb ein praktischer Treffpunkt, um all jene zu versammeln, deren musikalische Passion dem Akkordeon gilt – dazu im Herzen der Stadt, in der Kunsthalle Schirn, wo die Musikschule Frankfurt ihren zentralen Standort hat. Im November hatte der Deutsche Akkordeonlehrer-Verband e. V. anlässlich seines 70-jährigen Bestehens zum Symposium geladen. Gegründet 1953, definiert sich der DALV als gemeinsame Interessenvertretung für Akkor­deonlehrerinnen und -lehrer sowie für Studierende, die sich auf diese Tätigkeit vorbereiten. Er ist eine Weiterbildungs- und Vernetzungsplattform für seine Mitglieder und agiert als Dachverband für die regional arbeitenden Landesverbände.

Der Eröffnungsabend mündete nach Begrüßung und Impulsvortrag von Volker Rausenberger (Freiburg) in einer interaktiven Poster-Session, bei der auf sehr kommunikative Weise Best-Practice-Beispiele, eigene Fragestellungen aus dem Unterrichtskontext oder Thesen vorgestellt wurden, um – mehr fragend als antwortend – den Austausch zu eröffnen.
Vier Vorträge bildeten das Gerüst des Symposiums. Claudia Buder (Weimar) referierte – oder besser: praktizierte – Prinzipien des gemeinsamen Gestaltens, Anne-Marie Hölscher (Luzern) stellte ihren Systematisierungsversuch „Koordinaten einer Akkordeontechnik“ vor, Harald Oeler (Hof) sprach über „Neurologische Grundlagen und musikalische Beweglichkeit im Anfängerunterricht“. Wenn ein enger Kreis an SpezialistInnen Blicke in fachlich benachbarte Felder wirft, ist das horizonterweiternd und erkenntnisreich – so geschehen mit dem Vortrag der Violinistin Felizia Bade über Methodiken von Lagenwechseln und Sprüngen im Instrumentalspiel.
Höhepunkt des Symposiums, weil in diesen Momenten die Früchte der eigenen Arbeit geerntet werden, war das öffentliche Konzert in der Alten Nikolaikirche, in dem sechs Jugendliche aus Musikschulen in Berlin, Rudolstadt und Freiburg neue Kompositionen von Sne­zana Nešic, Dariya Maminova und Christian Billian zur Uraufführung brachten. Wer kann in so jungem Alter schon von sich behaupten, eine Partitur aus der Taufe gehoben zu haben?
Seit Beginn seines Bestehens trägt der DALV auch zur Erweiterung und Erneuerung des Repertoires von Akkordeonmusik für Kinder und Jugendliche bei, indem regelmäßig Kompositionsaufträge vergeben werden. Aus feierlichem Anlass waren es diesmal gleich mehrere. Die 1988 in Sankt Petersburg geborene, in Köln lebende Dariya Maminova schrieb den rund einminütigen vanillasong #2, dessen harmonisch stets wandelnden Klangfluss der elfjährige Balduin Hagner (Rudolstadt) wunderbar organisch und wie in einem Atemzug auf die Bühne brachte. Mit Fantasy Chronicles hat Sne­zana Nešic ihren neuen Zyklus überschrieben, in Anlehnung an die fantastischen Welten des Schriftstellers J. R. R. Tolkien. Rubina Cvjetkovic, Bela Sporrer und Jiayu-Annika Li (Berlin) überzeugten mit ihrem Spiel, weil sie die atmosphärischen Klangflächen mit den so eigentümlichen und ins Unvorhersehbare laufenden Melodien beeindruckend vereinten. So konnten vor dem inneren Auge faszinierende und verzaubernde Landschaften entstehen.
Christian Billians tunes & sounds ist eine Sammlung neuer, kurzer Stücke, denen der Komponist sprechende und assoziationsreiche Titel gab – etwa „flowing“, „air“ oder „symmetry“. Damit setzt er am Vertrauten an, um von dort aus eigenwillige bis geräuschhafte Klangsprachen zu entwerfen. Die aus Freiburg angereisten Maurice de Crozals und Paul Binder verkörperten die Lebendigkeit und Körperlichkeit dieser Musik und waren am Ende des Konzerts – wie ihre MitstreiterInnen – sichtlich erleichtert und stolz auf die dargebotenen Weltpremieren.
Hinter solch einem gelungenen Konzert steckt das Engagement von Lehrkräften, die dem Nachwuchs mit ansteckender Leidenschaft für das Zeitgenössische auch bislang fremdes musikalisches Terrain näherbringen. Das ist mitunter herausfordernd, denn das Experimentelle muss neugierig erschlossen und teils mit großer Geduld erarbeitet werden, um es ab irgendeinem Punkt lieben zu können. Entsprechend enthusiastisch geriet die Festrede von Claudia Buder, eingebettet in das Konzert. Ihr positiver Blick auf die gegenwärtigen Entwicklungen stützte sich auf die Beobachtung, dass das Akkordeon in der zeitgenössischen Musik einen neuen Stellenwert erreicht hat, als Soloinstrument heute ebenso selbstverständlich ist wie in kammermusikalischen oder musiktheatralen Zusammenhängen. Sie sprach dem DALV-Vorstand für das ehrenamtliche Engagement großen Dank aus und verkündete abschließend beherzt: „D-A-L-V: Das Akkordeon-Leben Verbinden“.

Anlässlich seines 70-jährigen Bestehens hat der DALV mehrere Kompositionen in Auftrag gegeben, die beim Jubiläumssymposium uraufgeführt wurden: vanillasong #2 von Dariya Maminova (Foto), Fantasy Chronicles von Sne­zana Nešic sowie tunes & sounds von Christian Billian. Auf der Website des DALV geben die drei KomponistInnen interessante Einblicke in ihre Werke.
www.dalv-online.de

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