Schulte im Walde, Christoph

Viel Licht und viel Schatten

Wie Musikschullehrkräfte ihren Berufsalltag erleben

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 6/2010 , Seite 20

Rund 37.000 MusikschullehrerInnen unterrichten an bundesdeutschen Musikschulen. Da wird Basisarbeit geleistet: musische Bildung, Förde­rung der Kreativität, Entwicklung eigener künst­lerischer Potenziale – eine gesamtgesellschaftliche Auf­gabe, deren Wichtigkeit für das soziale Gefüge auch seitens der Politik immer wieder gern betont wird. Aber was ist unserer Gesellschaft diese Arbeit wirklich wert? Der genaue Blick auf den Arbeitsalltag vieler PädagogInnen und deren tatsächliche Lebensumstände zeigt ein zwiespältiges Bild. Es changiert zwischen unglaublich viel Spaß am unmittelbaren Miteinander von LehrerInnen und SchülerInnen und fundamentalen Existenzängsten aufgrund der oft desolaten finanziellen Konditionen.

Der Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür geht auf. Ein paar Schritte sind es bis zum Büro. Und von dort aus geht Beatrix N. gleich in den Unterrichtsraum. Einmal kurz lüften, denn in einer halben Stunde kommt die ers­te Klavierschülerin. Es ist Freitagmorgen, ein „ganz normaler“ Freitagmorgen, kurz nach halb acht. Klavier zu so früher Stunde? Aber sicher: eine äußerst günstige Gelegenheit für Berufstätige mit flexiblen Arbeitszeiten. Kein Wunder also, dass nach der ersten schon gleich die zweite Schülerin im Erwachsenenalter folgt. „Zwei ganz unterschiedliche Menschen, bei denen ich auf ihre je eigenen Ansprüche und Möglichkeiten genau reagieren muss“, erläutert Beatrix N. Seit über zwanzig Jahren ist sie Klavierlehrerin. Achtzehn Stunden Unterricht pro Woche gibt sie. Aber eigentlich ist sie Musikschulleiterin, Chefin von 34 Kolleginnen und Kollegen, „Managerin“ von rund 1000 Schülern. Mitten in einer beschaulichen Gegend irgendwo in Nordrhein-Westfalen, mit einer Kirche im Ort und etwa 9000 Einwohnern drumherum. Bis zum nächsten Oberzentrum sind es sieben, acht Kilometer. Aber das meiste gibt es direkt vor Ort. Eben auch eine Musikschule.
Beatrix N. wird an diesem Freitag vielen Menschen begegnen. Wie an jedem anderen Tag auch. Keine Frage, der Kontakt zu Schülern, Kollegen, Vorgesetzten gehört zum Alltäglichen derer, die in einer Musikschule unterrichten. Vereinsvorstände, Politiker oder Funktionäre trifft man da schon viel seltener. Gleichwohl: Das Geflecht an Beziehungen und Kommunikationsaustausch ist vielfältig und immer wieder neu. Aber wie erleben MusikschullehrerInnen ihren Berufsalltag? Was macht ihn spannend und interessant? Wie sehen die schönen Seiten aus, was nervt? Die Antwort auf solche Fragen sind so unterschiedlich wie die Menschen, denen man sie stellt. Rund 37000 Lehrkräfte sind zurzeit in der gesamten Bundesrepublik tätig. Dass deren berufliche Situation nicht rosig aussieht, ist zwar der Öffentlichkeit noch nicht hinreichend bekannt, den LehrerInnen selbst aber umso besser.
Eine grundsätzliche Beobachtung lässt sich immer wieder und durchgängig machen: Da gibt es auf der einen Seite die frustrierten Musikschullehrkräfte, die sich jahrelang abgestrampelt und Energien mobilisiert haben, ohne dass sie das Gefühl entsprechender gesellschaft­licher Anerkennung zurückbekommen hätten. Eine mögliche Folge: Der Musikunterricht wird wie ein Streifen abgezogen, der Knopf für die Schule an- und wieder abgeschaltet. Auf der anderen Seite – und dies ist die deutliche Mehrheit unter den PädagogInnen – begegnet man Menschen, die sich von ihren oft schlechten Arbeitsbedingungen nicht entmutigen lassen, die Probleme immer wieder neu als Herausforderung begreifen und vor allem ganz viel Spaß haben, wenn sie mit ihren großen und kleinen, noch sehr jungen oder längst erwachsenen SchülerInnen Musik machen.

Berufsalltag im Wandel

Kein Zweifel: Im Laufe der zurückliegenden Jahre hat sich eine Menge getan und verändert. Und der Berufsalltag wird auch weiterhin einem permanenten Wandel unterliegen, muss reagieren auf in vielerlei Hinsicht sich ändernde Ansprüche. „Als ich hier anfing, das war 1992, da stand für mich jeden Montag von 10 bis 12 Uhr Verwaltungsdienst an, das war ausreichend. Anschließend kam der Unterricht, jeweils mit Pausen zwischendurch – das ging! Wir hatten damals um die 300 Schüler“, erinnert sich Beatrix N. Die Schülerzahl hat sich bis heute mehr als verdreifacht, die der Pädagogen verdoppelt. Und ihre eigene tatsächliche Arbeitszeit? „Mal fünfzig, mal sechzig Stunden pro Woche.“ Leitung und Organisation ihrer Schule machen für die 51-jährige Mutter von zwei Kindern längst den größten Teil ihres Arbeitspensums aus, eine Verwaltungsaufgabe, die schleichend mehr und mehr wurde. „Das hat sich halt einfach so ergeben.“ Zum Beispiel dadurch, dass der Gruppenunterricht an Umfang zugenommen hat. Das bedeutet verwaltungstechnisch ein gutes Stück Mehrarbeit.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2010.