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Müller, Silvia

Viele Wege führen zum Ziel…

Musikpädagogische Qualifikationen im Überblick

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 2/2019 , musikschule )) DIREKT, Seite 06

Welche Aus­bildungswege führen in Deutschland zu einer musikpädagogischen Tätigkeit? Und was bedeuten die verschiedenen Abschlüsse für den ­beruflichen Weg?

Mu­sikpädagoginnen und -pädagogen er­füllen ihre Aufgaben in einem breiten Berufsfeld, das alle Institutionen und Möglichkeiten umfasst, in denen professionell musikpädagogisch gearbeitet wird.1 In diesem Beitrag steht die Musik­pädagogik außerhalb von allgemeinbildenden Schulen im Zentrum; das Lehramt mit einheitlicher geregeltem Ausbildungs­weg und Berufsbild wird von der Diskussion ausgenommen. Dagegen erstreckt sich das Berufsfeld im außerschulischen Bereich über eine große Bandbreite an Unterrichts­­formen, die an verschiedenen Einrich­tungen wie zum Beispiel Musikschulen, Kirchengemeinden, Institutionen für Jugend- oder Senioren­arbeit, sonder- und heil­pädagogischen Einrichtungen oder Konzerthäusern umgesetzt werden.2
In Anbetracht dieses breiten, vielfältigen Berufsfelds ist es kaum möglich, ein klar umrissenes Berufsbild von Musiklehrkräften im außerschulischen Bereich zu erstellen. Weitere Unklarheit entsteht, weil in Deutschland die Berufsbezeichnung „Musikpädagoge“ bzw. „Musiklehrer“ im außer­schulischen Bereich nicht gesetzlich geschützt ist. Jeder darf – auch ohne Qualifikationsnachweis – Musikunterricht erteilen und sich als „Musikpädagoge“, „Instrumentalpädagoge“ o. Ä. bezeichnen.3 Somit kann von der Tätigkeit einer Musikpädagogin nicht auf eine bestimmte Ausbildung geschlossen werden – anders als beispielsweise bei Ärzten oder Friseurinnen. Zu einem musikpädagogischen Beruf führt eben kein eindeutiger, verbindlicher Ausbildungsweg. Stattdessen existieren zahlreiche Qualifikationsmöglichkeiten: Verschiedene Varianten einer grundständigen musikpädagogischen Ausbildung können an unterschiedlichen Institutionen absolviert werden; außerdem bestehen diverse Möglichkeiten, um sich im Berufsleben musikpädagogisch (weiter) zu qualifizieren.

Studium an Musikhochschule oder Kirchenmusikhochschule

Die deutschen Musik- und Kirchenmusikhochschulen bieten zahlreiche künstlerische, künstlerisch-pädagogische sowie wissenschaftliche Studiengänge an.4 An den meisten Einrichtungen kann eine künstlerisch-pädagogische Ausbildung mit dem Abschluss als Bachelor bzw. Master (früher Diplom) absolviert werden, die für mu­sikpädagogische Tätigkeiten im außerschulischen Bereich qualifiziert. Zur künstlerisch-pädagogischen Ausbildung zählen da­bei Studiengänge vor allem im Bereich der Instrumental- und Gesangspädagogik, der Elementaren Musikpädagogik sowie der Rhythmik, Chorleitung usw.

Studium an Universität, ­Pädagogischer Hochschule oder Fachhochschule

An über 40 Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Fachhochschulen in Deutschland bestehen musikpädagogische Studienmöglichkeiten. Unter den musikpädagogischen Studienangeboten an diesen Einrichtungen überwiegt das Studium „Lehramt Musik“; nur in einzelnen Fällen können an Instituten für Musik, Musikpädagogik o. Ä., die an einer Universität oder Fachhochschule angesiedelt sind, auch Inst­rumental- und Gesangspädagogik oder Ele­mentare Musikpädagogik mit Bachelor- bzw. Master-Abschluss studiert werden (et­wa am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg oder am Institut für Musik der Hochschule Osnabrück). Insbesondere an Universitäten ist ein Musikpädagogik-Studium oft stärker wissenschaftlich geprägt als an Musikhochschulen; dementsprechend gibt es an Universitäten häufiger die Möglichkeit zur Promotion.

Studium an Konservatorium oder Musikakademie

In Deutschland bieten sieben Konservatorien bzw. Musikakademien ein musikpädagogisches Studium an. Die Studiengänge, die oft explizit auf eine Berufsausübung als Lehrkraft an Musikschulen und in freiberuflicher Tätigkeit abzielen, gliedern sich meist in Instrumental- bzw. Gesangspädagogik und Elementare Musikpädagogik; an einzelnen Instituten werden auch weitere Studienfächer wie Komposition, Ensemb­leleitung etc. angeboten. Als Abschluss wird hier in der Regel der Grad eines Bachelors erreicht.

Spezialausbildungsstätten für Musikberufe

Sowohl in öffentlicher als auch privater Trägerschaft existieren viele Institutionen, die sich auf die Ausbildung für Musikberufe spezialisiert haben. Ein umfassender Überblick über dieses vielfältige Ausbildungsangebot ist hier nicht zu erbringen; das Spektrum soll aber mit einigen Beispielen illustriert werden.5
In Bayern existiert in jedem Regierungsbezirk eine Berufsfachschule für Musik. Dort kann eine zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Ensembleleiter im Laienmusizieren absolviert werden; in einem dritten Schuljahr kann eine zusätzliche pädagogische Qualifikation erlangt werden, die auf das Unterrichten des jeweiligen Hauptfachs in der Unter- und Mittelstufe an Musikschulen vorbereitet. Eine ebenfalls dreijährige Ausbildung zur Lehrkraft für Musikschulen und im freien Beruf bietet das Hohner-Konservatorium Trossingen als staatlich anerkannte Ersatzschule zur Aus­bildung von Akkordeon-Lehrkräften.
Neben den genannten, in der Regel öffentlich geförderten Einrichtungen bestehen auch Ausbildungsmöglichkeiten an Instituten in privater Trägerschaft. Dazu zählen zum Beispiel das Musikfachseminar Stuttgart, die Frankfurter Musikwerkstatt und das Music College Hannover, die eine staat­lich anerkannte Ausbildung zum Musik- bzw. Instrumentalpädagogen anbieten.
Weitere private Anbieter ermöglichen musikpädagogische Ausbildungen in verschiedenen Bereichen (etwa Musikalische Früherziehung oder Instrumental-/Gesangspädagogik). Diese Qualifikationen sind allerdings oft nicht staatlich anerkannt, sondern enden mit einem Abschluss des jeweiligen Ins­tituts (z. B. MenschMusik Hamburg e. V. oder MuSAH Köln). Deshalb zielen diese Ausbildungen in der Regel auf eine freiberufliche, selbstständige Tätigkeit, da eine An­erkennung für die Einstellung an Musik­schulen nicht gewährleistet werden kann.

Zertifikate für Musikunterricht

Insbesondere für den Bereich des privaten Musikunterrichts werden verschiedene Zer­tifikate angeboten, die nachweisen sollen, dass die zertifizierte Person einen qualitativ hochwertigen Unterricht bietet. Anlass für die Bereitstellung solcher Zertifikate dürften die oft heterogenen Berufswege sein, die auch ohne Fachstudium zu einer Tätigkeit als Musikpädagogin oder Musikpädagoge führen können.
Ein besonders weitreichendes Beispiel für ein solches Zertifikat ist die Lehrbefähigung des Bundesverbands der freien Musikschulen (bdfm). Lehrkräfte, die nicht als Diplom-Musiklehrer, Diplom-Musiker, Kir­chenmusikerin etc. musikbezogen qualifiziert sind, benötigen die bdfm-Lehrbefähigung, um an vom bdfm zertifizierten Musikschulen unterrichten zu dürfen. Zum Erlangen des Zertifikats ist eine Prüfung (vor allem mittels eines Videos zum Nachweis von künst­lerischen sowie pädagogischen Fähigkeiten) zu absolvieren.6
In ähnlicher Weise wird vom Deutschen Tonkünstlerverband (DTKV) in einzelnen Landesverbänden ein Qualitätszertifikat „Privater Musikunterricht“ angeboten, mit dem freiberufliche Musikpädagogen ihre Befähigung und die Voraussetzungen für einen qualitativ hervorragenden Musikunterricht nachweisen können. Die Auflagen für dieses Zertifikat sehen vor, dass studierte Musikpädagoginnen und -pädagogen (zum Beispiel Diplom-Musiklehrer oder Mu­siklehrkräfte an allgemeinbildenden Schu­len) ohne Umstände zertifiziert werden, während Berufsmusiker, die nur im künstlerischen Bereich ausgebildet sind, einen zusätzlichen Nachweis über ihre ­pädagogische Erfahrung erbringen müssen (beispielsweise Anstellungsverträge oder Wettbewerbserfolge der Schüler).7

Musikpädagogische Fort- und Weiterbildung

Auch Fort- und Weiterbildungen bieten musikpädagogische Qualifikationsmöglich­keiten, vor allem für Personen, die nicht in einem explizit musikpädagogischen Bereich ausgebildet sind. Viele Berufsgruppen kommen in ihrer Tätigkeit aber durchaus mit musikpädagogischen Themen und Fragestellungen in Berührung wie etwa Fachkräfte in Kindertagesstätten oder Jugendeinrichtungen und Lehrkräfte an all­ge­meinbildenden Schulen, die Musik fachfremd unterrichten. Für diese Zielgruppen existieren zahlreiche Fort- und Weiterbildungsangebote. Anbieter sind zum einen Hochschulen und Fortbildungszentren, die verschiedene Formate bereitstellen wie etwa berufsbegleitende Lehrgänge mit zertifiziertem Abschluss (zum Beispiel die Hochschule für Künste Bremen oder die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen). Zum anderen werden Weiterbildungen zu vielfältigen Themen und in unterschiedlichem Umfang von freien bzw. privaten Anbietern veranstaltet, wobei auch die Abschlüsse stark differieren können (etwa am Freien Musikzent­rum e. V. München oder an der Akademie für Kindergarten, Kita und Hort).
Insgesamt ist der Bereich der musikpädagogischen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten breit gefächert und nur schwer überschaubar. Zu beachten ist, dass private Angebote nicht nur durch fach­liche, sondern auch durch kommerzielle Bestrebungen motiviert sein können (Verkauf von speziellem Unterrichtsmaterial etc.).

Vielfalt von Ausbildungswegen

Insgesamt existieren in Deutschland zahlreiche Möglichkeiten für eine Qualifikation zum Musikpädagogen oder zur Musikpädagogin. Sie reichen von einer grundständigen Ausbildung über spezialisierte (Master-) Studiengänge bis hin zu Zertifikaten und Fortbildungen für einzelne Arbeitsfelder. Sowohl die jeweiligen Voraussetzungen als auch Rahmenbedingungen divergieren dabei stark: So unterscheiden sich die Ausbildungsgänge etwa in der Dauer oder in den Kosten für die Lernenden.
Zudem bestehen inhaltliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Ausbildungswegen. In Studiengängen an Musikhochschulen beispielsweise werden in erster Linie grundlegen­de Fertigkeiten vermittelt, mit denen die Absolventen immer wieder flexibel und fachlich reflektiert auf neue berufliche Situationen reagieren können, denn eine um­fassende Ausbildung für alle Teilbereiche des vielfältigen musikpädagogischen Berufsfelds ist nicht realisierbar. Für einzelne Aufgabenfelder ist es möglich, im Rahmen von Masterstudiengängen sowie Fort- und Weiterbildungen spezielles Wissen und Können zu erlangen.
Weitere inhaltliche Unterschiede der musik­pädagogischen Qualifikationen entstehen, da zum Beispiel im Rahmen von grundständigen Studiengängen zwar zentrale Inhalte und Anforderungen an verschiedenen Institutionen ähnlich sind (z. B. künstlerische Ausbildung am Instrument oder im Gesang, Musiktheorie, Unterrichtsversuche, Abschlussarbeit), die genaue Ausdifferenzierung eines Studiengangs aber in der Hand der jeweiligen Hochschule liegt und oft individuell erfolgt.8 Für Außenstehende ist deshalb bei einem musikpädagogischen Studienabschluss nur bedingt erkennbar, über welche Qualifikationen der Absolvent im Einzelnen verfügt. Noch unübersichtlicher wird die Lage in Anbetracht der weiteren genannten zahlreichen Ausbildungsmöglichkeiten im musikpädagogischen Bereich.
Aufgrund der Vielfalt von Berufsfeld und Qualifikationsmöglichkeiten ist es somit oft nur schwer möglich, anhand eines Ausbildungsabschlusses zu beurteilen, ob eine Person für eine spezielle musikpädagogische Aufgabe (ausreichend) qualifiziert ist. Zwar ist davon auszugehen, dass ein musikpädagogischer Studienabschluss umfassender auf die Tätigkeit als Musikpädagogin vorbereitet als einzelne Weiterbildungs­maßnahmen, doch auch die individuelle berufliche Biografie und die jeweilige Lehrerpersönlichkeit spielen dabei sicherlich eine Rolle.
Die Vielfalt der Ausbildungswege spiegelt darüber hinaus den Bedarf an Musikpädagoginnen und -pädagogen in der deutschen Bildungslandschaft wider. Dabei wird auch Personen, die über keine grundständige musikpädagogische Ausbildung verfügen, durch Weiterbildungen oder Zertifikate formal der Weg zur Tätigkeit als Musik­pädagoge geebnet. Offen bleibt allerdings, ob die geforderten Nachweise (zum Beispiel Videos bzw. Wettbewerbserfolge der Schüler) tatsächlich Auskunft über die mu­sikpädagogischen Fähigkeiten einer Lehrkraft geben. Zudem ist unklar, ob durch solch niederschwellige Qualifikationswege eine Konkurrenz für umfassend ausgebildete Musik­pädagoginnen und -pädagogen erwächst.9
Im Sinne der weiteren Professionalisierung des Berufs „Musikpädagoge“ wäre es wünschenswert, dass die Art der Qualifikation auch Auswirkungen auf den Zugang zum Beruf bzw. zu einzelnen Tätigkeitsfeldern hat. So könnte sichergestellt werden, dass nur vergleichbar ausgebildete Lehrkräfte in einem musikpädagogischen Tätigkeitsfeld arbeiten. Diese Klarheit dürfte sich wiederum positiv auf das gesellschaftliche Ansehen des Berufs „Musikpädagoge“ auswirken.

1 vgl. die Definition zum Berufsfeld von Instrumentalpädagoginnen und -pädagogen bei Diet­lind Bäuerle-Uhlig: Professionalisierung in der Instrumentalpädagogik, Essen 2003, S. 297.
2 vgl. ebd., S. 298-360.
3 vgl. ebd., S. 365 und 370 f.; Theresa Merk/Silvia Müller: „Professionalisierung der Instrumentalpädagogik“, in: Barbara Busch (Hg.): Grundwissen Instrumentalpädagogik. Ein Wegweiser für Stu­dium und Beruf, Wiesbaden 2016, S. 405.
4 Für die in den ersten drei Abschnitten beschriebenen Studienmöglichkeiten vgl. MIZ (Deutsches Musikinformationszentrum): Bildung & Ausbildung mit den Rubriken „Musikhochschulen“, „Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Fach­hochschulen“, „Konservatorien, Musikakademien, Kirchenmusikhochschulen und weitere kirchliche Ausbildungsstätten“, www.miz.org/themenportale/bildung-ausbildung (Stand: 21.2.2019).
5 vgl. ebd., Rubrik „Spezialausbildungsstätten für Musikberufe“.
6 vgl. bdfm (Bundesverband der freien Musikschulen): bdfm-Lehrbefähigung, www.freie-musikschulen.de/zertifizierung/bdfm-lehrbefaehigung (Stand: 21.2.2019).
7 vgl. DTKV (Tonkünstlerverband) Baden-Württemberg e. V.: Zertifikat Privater Musikunterricht, www.dtkv.net/BW/nachrichten/uebersicht/28-aktuelles/25-zertifikat-privater-musikunterricht. html (Stand: 21.2.2019); DTKV (Tonkünstlerverband) Bayern e. V./Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen e. V.: Richtlinien zum Qualitätszertifikat, www.dtkvbayern.de/images/PDFs/downloads/ Qualtitaetszertifikat/Richtlinien%20Endfassung% 20QZ_26.07.2016.pdf (Stand: 21.2.2019).
8 vgl. Bäuerle-Uhlig, S. 134 f.; Ortwin Nimczik/ Hans Bäßler/Detlef Altenburg: Ausbildung für Musikberufe, Bonn 2011, S. 11, www.miz.org/static_de/themenportale/einfuehrungstexte_pdf/
01_BildungAusbildung/nimczik_baessler_altenburg.pdf (Stand: 21.2.2019).
9 vgl. Bäuerle-Uhlig, S. 142.