Scheel, Maike / Gaby Bultmann
Vielfalt der Ensemblekultur
LGBTQIA+ Band, Kotoklasse und Alphornyoga an der Leo Kestenberg Musikschule, Berlin
LGBTQIA+ Bandklasse
Mit diesem Projekt wird Musikschularbeit um eine inklusive Lernumgebung erweitert, die Identität und Diversität in einem kreativen Rahmen fördert. Die Teilnehmenden der Bandklasse erarbeiten Songs queerer KünstlerInnen und entwickeln Eigenkompositionen, die bühnenreif präsentiert werden. Homo- und Transfeindlichkeit an Schulen und in der Gesellschaft sind nach wie vor präsent. Wertende Fragen über Namen, Aussehen und Lebensweise sind mitunter verletzend und lassen die Person als „nicht normal“ erscheinen. Besonders Menschen, die sich in der Transition befinden, benötigen einen sicheren Raum, in dem sie sich nicht erklären müssen.
Das Hauptziel des Projekts ist es daher, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem musikalische Identität unabhängig von Geschlechterrollen ausgelebt und entwickelt werden kann. Die Band bietet dazu einen Ort, an dem Menschen mit ähnlichem Diskriminierungshintergrund zusammenkommen und Gendersensibilität selbstverständlich ist. Sie trägt dazu bei, die Sichtbarkeit queerer Menschen zu erhöhen.
Ein zentraler Aspekt der Proben ist die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, denen queere Menschen in einer heteronormativen Gesellschaft begegnen. Hierbei werden textliche und künstlerische Inhalte diskutiert und jede Person trägt aktiv zum musikalischen Schaffensprozess bei. Denn gerade in der Musik haben wir die Möglichkeit, uns als Individuum auszudrücken und Konventionen hinter uns zu lassen. Dafür braucht es einen Rahmen, in dem die Sicherheit der Kreativität freien Lauf lässt. Die Auftritte der Band verdeutlichen eindrucksvoll, dass dieses Konzept erfolgreich ist.
Koto – die japanische Langbrettzither meets Europe
Außereuropäische Musik für alle – diesem Ziel ist unsere Musikschule seit beinahe 40 Jahren mit der Fachgruppe „Musikkulturen der Welt“ verpflichtet. Seit 2015 gibt es eine Klasse für japanische Koto, die Makiko Goto, eine Meisterin der Sawai-Koto-Schule, gründete und die seit 2020 von Naoko Kikuchi geführt wird. Der Gründer dieser Schule in Tokio, Tadao Sawai, entwickelte in den siebziger Jahren eine moderne Musiksprache und neue Spieltechniken für dieses eigentlich höfisch-traditionelle Instrument.
In seiner Schule und auch in unserer Kotoklasse gehören Einzelunterricht und Ensemblespiel untrennbar zusammen. Von Anfang an wird gelernt, sowohl solistisch als auch im Ensemble zu spielen. Auf dem Programm stehen traditionelle und moderne Kompositionen. Die Gruppe der SchülerInnen lernt auch traditionelle japanische Lieder und andere japanische Instrumente wie die Laute Shamisen kennen. Ebenso gibt es immer wieder auch Workshop-Angebote wie Tanz-, Kimono- und Fächerworkshops. Gleichzeitig wird die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen der Musikschule intensiv gepflegt, eine Kindergartengruppe beim Tanzen begleitet, mit Flötenkindern zusammen musiziert oder moderne Kompositionen in Auftrag gegeben und gemeinsam mit anderen Perkussion- oder InstrumentalschülerInnen aufgeführt. Dieser Austausch zwischen europäischen und außereuropäischen Instrumenten sowie Musiken erweist sich als für alle Seiten wichtig und befruchtend.
Alphorn – Yoga in Klängen
Das Angebot an unserer Musikschule wurde 2014 um das Alphorn als traditionelles Instrument aus dem deutschen Sprachraum erweitert. Ziel war es, musikinteressierten Erwachsenen, die bisher keinen oder wenig Musikunterricht gehabt hatten, ein Angebot zu machen, das das Erlernen eines Instruments auf jedem Level mit Ensemblespiel verbindet.
Natürlich gibt es Naturhörner in vielen Kulturen, aber hier spielen wir das klassische, 3,70 m lange alpenländische Alphorn in F. Die Musikschule besitzt genau 66,6 m Alphörner und verleiht diese an ihre Schülerschaft. Aktuell lernen über 50 SpielerInnen in vier Gruppen bei zwei Lehrkräften Alphorn – ausschließlich in der Gruppe. Viele spielen auch andere Blechblasinstrumente, man kann aber auch ohne Vorkenntnisse einsteigen. Für den vorgesehenen Gruppenunterricht sind unterschiedliche Spielniveaus im Repertoire berücksichtigt.
Spannend ist die Beschäftigung mit den archaischen Klängen der Naturtonreihe und dem eigenen Atem, denn der Ton wird ausschließlich mit Lippen und Zwerchfell erzeugt. Nicht ohne Grund sprechen die KursteilnehmerInnen oft von therapeutischen Wirkungen des „Alphornyoga“. Gleichzeitig wird aber auch ein rhythmisches, „angejazztes“ Repertoire gespielt, das der Hauptdozent Andreas Frey für Alphörner in dreistimmiger Besetzung komponiert (ediert im Steer Musikverlag) – und auch schon mal ein Song von Queen.
Zusammenspiel gibt es mit verschiedenen Ensembles der Musikschule, mit ErzählerInnen oder Theatergruppen. Die Auftritte sind häufig und immer spektakulär, sei es beim Berlin Marathon, auf einem Berliner „Berggipfel“ oder auf dem Dach eines Flughafentowers.