Bradler, Katharina (Hg.)
Vielfalt im Musizierunterricht
Theoretische Zugänge und praktische Anregungen
Zu Beginn stellt die Herausgeberin fest: „Dass Vielfalt gesellschaftliche Realität ist, steht wohl außer Frage.“ Sie verweist auf die lange Forschungstradition in anderen Fächern und den einschlägigen allgemeinpädagogischen Fachdiskurs, um dann zu konstatieren: „Antworten bzw. Stellungnahmen seitens instrumental- und gesangspädagogischer Forschung hingegen stehen in den genannten Bereichen noch aus. Auch fehlt es an praktischen Handreichungen…“ Vor diesem Hintergrund hat man es hier sozusagen mit dem „Buch der Stunde“ zu tun.
Vielfalt zeichnet auch den Band selbst mit seinen 18 Beiträgen aus. Aus vielerlei Perspektiven wird das Thema beleuchtet: Mehrere Autorinnen widmen sich der Klärung zentraler Begriffe, so Katharina Bradler in ihrer Einleitung, außerdem Marion Gerards und Claudia Meyer sowie Irmgard Merkt, die auch einen kleinen historischen Abriss der Begriffsverwendungen liefert. Des Weiteren finden sich Darstellungen von Ansätzen zum Verständnis der Begriffe Inklusion (Juliane Gerland) und Heterogenität (Claudia Meyer nach Annedore Prengel) sowie Empfehlungen für Lehrende, die in einem sprachlich-kulturell vielfältigen Kontext unterrichten (Andrea Welte).
Verbreitete und gewohnte Sichtweisen werden in Frage gestellt, so der Allgemeinplatz von Musik als Weltsprache (Martina Krause-Benz), das Ziel einer Förderung von Menschen mit bestimmten Differenzmerkmalen, das Gefahr läuft, die grundsätzliche Heterogenität unter Individuen zu verkennen (Johann Honnens), sowie das Feedbackverhalten von Lehrpersonen im Gruppenunterricht, das durchaus zur Verfestigung der Zuschreibung von Leistungsdifferenzen beitragen kann (Kerstin Heberle). Franz Kasper Krönig wirft einen kritisch-provozierenden Blick auf die Rolle der Musikpädagogik in der „verwalteten Welt“ der „Machbarkeiten“ und des „Umsetzens“; ihm zufolge droht die Musikpädagogik „damit jedes kritische und gesellschaftsverändernde Potenzial der Inklusionspädagogik zu verspielen“.
Etwa die Hälfte des Buchs entfällt auf praktische Anregungen. Auch hier zeigt sich eine große Vielfalt: Einerseits geht es um Inklusion oder Teilhabe in Bezug auf unterschiedliche Bedürfnisse, um Alter und Leistungsheterogenität (Jana Hellem und Helmar Leipold, Beate Hennenberg, Claudia Meyer, Sandra Spallek und Corinna Vogel, Robert Wagner, Meike Wieczorek) sowie um kulturelle Kontexte (Emin Türkarslan, Andrea Welte), andererseits ebenso um institutionelle Bedingungen (Juliane Gerland, Robert Wagner) wie um Aspekte des Unterrichts (Sandra Spallek und Corinna Vogel, Andrea Welte) bis hin zu Beispielen für Arrangements (Emin Türkarslan, Meike Wieczorek). Nicht jedes Detail scheint hier gleichermaßen erhellend, etwa wenn die Genese eines Ensembles oder Gegebenheiten vor Ort dargestellt werden. Zweifellos lohnend sind allerdings Einblicke in die Inhalte und Methoden der künstlerisch-pädagogischen Arbeit selbst.
Es handelt sich hier um ein wichtiges Buch, das einen Gewinn für die Fachwelt darstellt und Leserinnen und Leser vielfältig bereichern kann.
Michael Dartsch