Collatti, Diego

Viva el Tango!

Die Tango-Klavierschule, Band 1

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2013
erschienen in: üben & musizieren 4/2013 , Seite 59

„Ob Tango aus dem Radio schallte oder meine Großmutter ihn vor sich her summte und ich ihn nachpfiff, ohne zu wissen, was ich gerade trällerte – Tango lag in der Luft.“ So erinnert sich Diego Collatti an seine Kindheit in Argentinien, in der die Präsenz von Tangomusik ganz selbstverständlich zum Leben dazugehörte und zu einer frühen musika­lischen Prägung führte. Seine akademische Ausbildung erhielt der 1976 in Argentinien geborene Komponist und Pianist Diego Collatti in Buenos Aires und in Wien, wo er auch heute lebt.
Mit der vorliegenden Tango-Klavierschule gibt Collatti nun ein authentisches, von Kindesbeinen an erlebtes Lebensgefühl und sein fundiertes Wissen als Komponist und Pädagoge kenntnisreich weiter. Mit 24 progressiv angeordneten Stücken entwickelt er eine Strategie des sich langsamen technischen und musikalischen Annäherns an die für den Tango typischen rhythmischen und gestalterischen Idiome. Gingen die Erwartungen allerdings in die Richtung, dass man eine Klavierschule im eigentlichen Sinne in Händen hielte, mit diesem Heft also das Klavierspiel erlernen könne, so würden diese nicht erfüllt.
Bereits die ersten Stücke, die aus elementaren Tango-Bausteinen gefügt sind, leben von genauer Artikulation und dynamischer Gestaltungsfähigkeit. Der Schwierigkeitsgrad steigert sich dann von Stück zu Stück schnell mit rhythmischer und grifftechnischer Komplexität. Das bedeutet, dass eine spielerische Unabhängigkeit der Hände Voraussetzung zur Bewältigung der Stücke ist.
Collattis Tangos sind vielgestaltig in Charakter und Färbung, verschiedene Tangostile werden exemplarisch vorgestellt. Manche der Titel und Widmungen verweisen auf andere Komponisten. Ein mit „Béla Tangók“ betitelter Tango erinnert an die Bartók’sche bitonale Satztechnik, ein anderer lässt sofort Strawins­kys Tango erahnen, auf kleinstem Raum, sozusagen en miniature: „Cinco dedos Tango“. Weitere Komponisten, auf die sich Collatti bezieht, sind Astor Piazzolla, Eduardo Rovira, Pedro Laurenz, Enrique Delfino, Francisco De Caro und Horacio Salgáns. Daneben gibt es zwei Bearbeitungen berühmter Tangos von Carlos Gardel (Volver) und Vicente Greco (El flete).
Das Gesamtkonzept dieser Schu­le des Tango-Spiels ist vorbildlich. Dem musikalischen Text stehen umfassende Erläuterungen zur Seite. Mit Ausführungen über allgemeine Charakteristika des Tangos und praktischen pädagogischen Anmerkungen zu jedem einzelnen Stück fühlt man sich bestens unterrichtet und angeleitet. Zusätzlich steuert der argentinische Musiker Lucio Bruno-Videla einen interessanten Überblick über die Historie des Tangos bei. Collattis Einspielung aller Stücke auf der beiliegenden CD rundet das Informa­tionspaket ab.
Maria Zeidler-Kröll