Windisch-Laube (Hg.), Walter
Von Klavierdrachen und gehemmten Clowns…
Instrumental- und Vokalunterricht im Licht literarischer Texte
Der Titel und das Cover wecken irrige Vorstellungen vom Inhalt des Buchs: Es geht keineswegs um „kindgemäße“ Instrumentalpädagogik. Was geboten wird, formuliert der Untertitel. Walter Windisch-Laube, promovierter Musik- und Literaturwissenschaftler, langjähriger Leiter der Musikschule Alsfeld, präsentiert eine reichhaltige Sammlung von belletristischen und „halbliterarischen“ Texten, in denen Instrumental- und Vokalunterricht sowie diverse Musizierszenen geschildert werden.
Die aus vier Jahrhunderten stammenden Texte reichen von einem Schwarze Pädagogik dokumentierenden Abschnitt aus Wolfgang Caspar Printz’ Roman Musicus vexatus (1690) bis zu einer Darstellung der Alltagsrealität von prekär beschäftigten Musikschullehrkräften in Julia Friedrichs’ 2021 erschienenem Buch Working Class. Zu finden sind Passagen aus Romanen, Erzählungen, Gedichten, Essays, Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Erinnerungen, pädagogischen Veröffentlichungen, Zeitschriftenbeiträgen von weit über hundert bekannten und weniger bekannten AutorInnen. Dazu kommen zahlreiche Hinweise auf Opernszenen und Filme, die sich mit der besagten Thematik beschäftigen. Zu jedem Text angegeben sind das jeweils im Mittelpunkt stehende Instrument bzw. die Instrumente sowie Praktiken wie Kammermusik, Improvisation, Komposition etc.
Windisch-Laube führt die ausgewählten Textpartien mit kurzen instruktiven Hinweisen ein, zeigt Querbezüge auf und klärt die jeweils vorhandenen musizierpädagogischen Motive. Sowohl die Auswahl der Quellen wie die Kommentare beeindrucken durch enormen literarischen Kenntnisreichtum und ausgeprägtes musikpädagogisches Problembewusstsein. Windisch-Laube verschweigt auch nicht die „Problematik […], die den literarischen oder literarisierten Unterrichts-Schilderungen anhaftet: Es scheint oftmals kaum möglich, zwischen a) real sich ereignet habenden, b) qua Erinnerung oder auch Wahrnehmungsverschiebungen zu Topoi bis Klischees geronnenen, c) der Fiktion geschuldeten ‚Frisierungen‘ wirklich erlebter Begebenheiten und d) Einflüssen seitens literarischer Überlieferung zu unterscheiden oder zu trennen.“
Das Buch enthält ebenso berührende und modellhafte wie beängstigende, karikierende, satirisch oder gar zynisch gefärbte Darstellungen von Lehrenden und ihrem Handeln. Dessen Licht und Schatten zeigen sich in vielen Zwischenstufen.
Die Textsammlung ist ein gewichtiger Beitrag zu einer kulturgeschichtlich ausgerichteten Musizierpädagogik. Ein solch reichhaltige und kompetent kommentierte Zusammenstellung hat es bislang noch nicht gegeben. Zahlreiche (allerdings oft in mäßiger Qualität reproduzierte) Abbildungen und mehrere Register bereichern den Band. Die Lektorierung bleibt hinter der inhaltlichen Qualität zurück. Gleichwohl: ein hochinteressantes, faszinierendes Buch.
Ulrich Mahlert