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Bauchrowitz, Frank

Was darf ich sagen und was nicht?

Juristische Hintergründe zur Meinungsfreiheit in der Musikschule

Rubrik: Recht & Versicherung
erschienen in: üben & musizieren 1/2025 , Seite 38

In Deutschland gilt, dass jeder seine Meinung frei äußern und verbreiten darf. Dieses Recht garantiert das Grundgesetz (GG) in Artikel 5 Absatz 1. Allerdings bedeutet dies nicht, dass alles in jedem Kontext geäußert werden darf. Direkt im zweiten Absatz des Grund­gesetzartikels heißt es nämlich, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit seine Schranken findet „in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetz­lichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persön­lichen Ehre“. Wie sehen diese Beschränkungen aber konkret aus? Was dürfen Musiklehrkräfte in der Musikschule frei äußern und wo stoßen ihre Rechte an Grenzen?

Tatsachenbehauptungen und Werturteile

Im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit unterscheiden Juristen Tatsachenbehauptungen und Werturteile. Grundsätzlich geäußert werden dürfen Tatsachenbehauptungen. Solche Äußerungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Sie müssen der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich sein.1 Werden hingegen bewusst Lügen geäußert („Fake News“), ist dies nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.2
Werturteile sind ebenfalls von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das sind Aussagen, die die eigene Meinung wiedergeben. Bei Werturteilen kommt es nicht darauf an, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird.3

Schmähkritik, Beleidigung und Angriff auf die Menschenwürde

Schmähkritiken, Formalbeleidigungen und Angriffe auf die Menschenwürde sind hingegen nicht vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Wo die Grenze verläuft zu einem Werturteil, wird danach beurteilt, welchen objektiven Sinn die jeweilige Äußerung hatte, in welchem sprachlichen Kontext sie stand, wie oft sie geäußert wurde und wie die Begleitumstände waren.4
Von einer Schmähkritik geht die Rechtsprechung aus, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sachbezogene Auseinandersetzungen dürfen allerdings durchaus scharf geführt werden. Zum Beispiel liegt allein in dem sinngemäßen Vorwurf an einen Vorgesetzten, ein „Ausbeuter“ zu sein, keine Schmähkritik.5

Schmähkritik
Ein bekannt gewordenes Beispiel für eine unzulässige Schmähkritik ist das Gedicht Schmähkritik von Jan Böhmermann. Er hatte im Rahmen einer TV-Sendung einen selbst verfassten Text mit diesem Titel vorgetragen, in dem es um den türkischen Präsidenten Erdog˘an ging. Das OLG Hamburg analysierte das Gedicht akribisch und stellte fest, dass die Verse einen „Gebrauch von derben Schimpfworten aus dem Bereich der Intim- und Sexualsphäre“ bedeuten und die weitere Verbreitung (mit Ausnahme von sechs Versen) rechtswidrig sei. Zum Gedicht im Ganzen stellte das Gericht fest, die Verse dienen „allein dem Angriff auf die personale Würde und sind deshalb nicht von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt, sondern rechtswidrig“.6

Eine Formalbeleidigung liegt vor bei mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung verwendeten, nach allgemeiner Auffassung besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern. Es geht hierbei z. B. um Ausdrücke aus der Fäkalsprache7 oder um herabwürdigende Begriffe hinsichtlich der sexuellen Orientierung.8 Formalbeleidigungen dürfen daher nicht geäußert werden und können sogar strafbar sein (§ 185 Strafgesetzbuch).
Bei menschenunwürdigen Angriffen ist die Meinungsfreiheit immer dann nachrangig, wenn die in Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Menschenwürde berührt wird.9 Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Straftatbestand der Volksverhetzung (gemäß § 130 StGB) erfüllt ist.

1 vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 1 BvR 3085/15, Randziffer (Rz) 13.
2 vgl. BVerfG, 1 BvR 1376/79, Rz 23.
3 BVerfG, 1 BvR 1476/91, Rz 108.
4 vgl. BVerfG, ebendort, Rz 125.
5 vgl. BVerfG, 1 BvR 1149/17, Rz. 7.
6 vgl. OLG Hamburg, 7 U 34/17.
7 vgl. BVerfG, 1 BvR 2397/19, Rz 21.
8 vgl. Amtsgericht Frankfurt am Main, 907 Cs 7680 Js 229740/19
9 BVerfG, 1 BvR 1476/91, Rz 121 (zur Äußerung „Soldaten sind Mörder“).

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2025.