Ardila-Mantilla, Natalia

Was macht eigentlich ein Berufsmusiker?

Instrumentalpädagogik als Beruf: Tendenzen und neue ­Herausforderungen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 6/2010 , Seite 24

Das Berufsbild wie auch die Aufga­ben von InstrumentalpädagogInnen sind im Wandel begriffen. In der europäischen Instrumentalpäda­gogik entstehen neue Zielsetzungen, Arbeitsfelder, Zielgruppen und Arbeitsweisen. Eine Ent­wicklung, die gerade auch für den deutschsprachigen Raum zu beobachten ist.

Wenn MusikerInnen über ihren Beruf reden müssen, kommen sie in Bedrängnis. Lebendig sehe ich noch die Szene vor mir, als ich vor vielen Jahren meinen Eltern beim Abendessen verkündete, dass ich Musik studieren wolle. Mein Vater – ein musikbegeisterter, recht weltoffener Manager – überlegte kurz und fragte: „Sag mal, was macht eigentlich ein Berufsmusiker? Wenn ich vor einem Büro stehe, an dessen Tür die Aufschrift ‚Pepita Pérez – Musikerin‘ steht, was passiert eigentlich hinter dieser Tür?“1
Damals habe ich meinem Vater einfach etwas vorgemacht. Ich war siebzehn, spielte Klavier – ziemlich gut, meiner Meinung nach – und mein Bild des Musikerdaseins stammte hauptsächlich aus Filmen und Büchern: temperamentvolle Männer und geheimnisvolle Frauen, mit langem Schal und runder Brille, die tagsüber übten und probten, die Nächte in lässigen, verrauchten Kaffeehäusern in Paris verbrachten, lebhafte Gespräche mit Malern und Schrifstellern führten, um die Welt reisten, um Konzerte zu spielen… Von der Nähe kannte ich vielleicht eine Handvoll BerufsmusikerInnen (meine Lehrerinnen und Leh­rer natürlich), die dauernd über Üben, Proben und Konzerte redeten. Womit sie eigentlich ihren Lebensunterhalt verdienten, wusste ich nicht genau. Aus diesen vagen Wissensbro­cken bastelte ich eine halbwegs plausible Antwort für meinen Vater zusammen: „Naja, Musiker üben, proben, spielen Konzerte, unterrichten.“ Mein Vater: „Und sie leben davon?“ Ich (ganz überzeugend): „Ja, sicher.“
Ähnlich hört sich die Antwort vieler MusikstudentInnen an, wenn sie nach ihrer beruf­lichen Zukunft befragt werden: „Ich habe vor, Konzerte zu spielen und zu unterrichten.“ Punkt. Sicherlich wissen viele von ihnen, dass heutzutage attraktive Musikschulstellen und gut bezahlte Konzerte nicht gerade vom Himmel fallen und einige weisen auch auf die schwierigen Arbeitsbedingungen hin, mit denen sie wahrscheinlich konfrontiert sein werden.2 Die Sorge wächst – besonders am Ende des Studiums. Aber gut: Nicht selten gelingt es MusikerInnen, jahrelang diese Frage zu ver­drängen, wie Magdalena Bork in ihrem Buch Traumberuf Musiker? eindrücklich belegt hat.3
Die Sorge wächst aber nicht nur bei ihnen, sondern auch in den Ausbildungsstätten. Heutzutage, wo immer weniger Orchester- und Musikschulstellen einer wachsenden ­Anzahl von Absolventen gegenüberstehen, drängt sich die Frage auf: Wofür bilden wir eigentlich unsere Studenten aus? Halten wir womöglich noch an unrealistischen Vorstellungen des Musikerberufs fest? Verdrängen wir ebenso wie unsere Studierenden die Berufsfrage? Inwiefern sind wir tatsächlich in der Lage, sie auf die Anforderungen des Berufsfelds vorzubereiten?

1 „Pepita Pérez“ ist ein kolumbianischer Namensplatzhalter wie „Max Mustermann“, die Bezeichnung für eine x-beliebige Person.
2 Die Rede ist etwa von unmotivierten Schülern, Unterrichten im 25-Minuten-Takt, prekären Anstellungsverhältnissen und lästigen Verwaltungsaufgaben in der Musikschule bzw. unverschämten Veranstaltern, ahnungslosem Publikum und leeren Sälen in der freien Szene.
3 vgl. Magdalena Bork: Traumberuf Musiker? Herausforderungen an ein Leben für die Kunst, Mainz 2010.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2010.