Wernhard, Eike

Wenn das Notenhuhn ein Ei legt

Klavierschule für Kinder

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2023
erschienen in: üben & musizieren 1/2024 , Seite 62

Methodisch werden in dieser Kla­vierschule keine grundsätzlich neuen Wege beschritten. Dennoch handelt es sich um eine wichtige Neuerscheinung, da es Eike Wernhard sehr gut gelingt, die elementaren Lerninhalte in strukturierter und zugleich kindgemäßer Weise zu präsentieren und dabei viele Lernfelder einzubeziehen.
Wie bereits der Titel vermuten lässt, orientiert sich die Abfolge der Lernschritte an den Erfordernissen des Notenlernens. Nach einem spielerischen Einstieg auf den schwarzen Tasten – in bewährter Weise mit Tierbewegungen assoziiert – wird der Tonraum vom Mittel-C aus schrittweise nach oben und unten bis zum c” bzw. c erschlossen. Das titelgebende „Notenhuhn“ erhält dabei Unterstützung durch den „Taktspecht“, der in lebendiger Weise Notenwerte, Taktarten und Rhythmen vermittelt. In jedem Kapitel finden sich darüber hinaus Anregungen zur Improvisation, die an den jeweiligen Lerninhalten anknüpfen und Gelegenheit zur freien Bewegung auf der gesamten Tastatur geben. Zu den meisten Spielstücken gibt es in kleinerem Druck Begleitsätze für die Lehrkraft.
Neben den präzisen und für Kinder gut verständlichen verbalen Erklärungen zu allen Lerninhalten sorgen auch implizite, mehr intuitiv aufgenommene Signale für eine strukturierte innere Repräsentation des Gelernten. Die Überschriften der einzelnen Aufgaben zeigen durch ihre Farbe die Zugehörigkeit zum jeweiligen Lernfeld an: orange für neu eingeführte Noten, rot für Spielstücke, blau für rhythmische Aufgaben, grün für die Improvisation.
In der eigens für diese Schule entwickelten Rhythmussprache ist jeder Notenwert mit einem anderen Vokal assoziiert: „tok“ für die Viertel, „ta-jak“ für die Halbe, „tu-mu-ju-muk“ für die Ganze usw. Für jeden Notenwert gibt es darüber hinaus eine eigene Geste (in die Hände klatschen, an die Brust klopfen etc.). Daraus ergibt sich eine Art Bodypercussion, die das Rhythmus-Lernen zum körperlichen Erlebnis werden lässt.
Wichtigstes Kriterium für die Auswahl einer Klavierschule bleibt natürlich die musikalische Qualität der angebotenen Stücke. Auch hier kann das „Notenhuhn“ punkten: durch präzise durchgeformte Eigenkompositionen des Autors mit einpräg­samen, oft humorvollen Texten. Der Schwerpunkt liegt auf leicht fasslichen tonalen Stücken vom Kinderlied über kleine zweistimmige Sätze bis hin zu populären Tanzformen. Doch auch die Ganztonleiter, chromatische Bildungen und bildhaft eingesetzte Cluster werden in motivierender Weise einbezogen.
Die ausdrucksstarken, differenziert durchgezeichneten Illustrationen von Frauke Bahr, die sich wohltuend vom gängigen Comic-Stil abheben, tragen wesentlich zum schönen Erscheinungsbild der Ausgabe bei.
Sigrid Naumann