© Bundesakademie Trossingen_Antonia Emde

Mützlaff, Marleen

Wenn Kulturen sich begegnen…

Anregungen zur Planung und Durchführung interkultureller ­Ensemblearbeit

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2019 , Seite 14

Wie gelingen Ensembles mit Musik und Instrumenten aus verschiedenen Kulturen? Wie können sich Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft in das gemein­same Musizieren einbringen? Welcher Kompetenzen bedarf es dafür auf Seiten der EnsembleleiterInnen?

Der Begriff „Ensemble“ ist hier bewusst weit gefasst: Das Ensemble kann etwa ein Musikschulorchester sein, dessen westeuropäische Besetzung durch zwei orienta­lische Instrumente wie Ney (orientalische Flö­te) und Rebab (türkisch-arabisches Streichinstrument) erweitert wird. Oder es besteht nur aus fünf Instrumenten, die aber aus fünf verschiedenen Kontinenten stammen. Ebenso wäre an Vokalensembles zu denken, die sich ein Repertoire aus verschiedenen Kulturen erarbeiten möchten, oder auch an musizierpraktische Angebote für Kinder einer Tagesstätte…
EnsembleleiterInnen arbeiten in ihrem Berufsalltag zunehmend mit kulturell heterogenen Gruppen: Es gibt Kinder und Jugendliche mit Wurzeln in Kulturen außerhalb Westeuropas, die sie durch ihre Eltern kennengelernt haben; sie selbst können in Deutschland geboren sein. Zugleich gibt es junge Menschen, die geflüchtet sind und unterschiedliche Bleibeperspektiven haben. Jede musikpädagogische Arbeit ist herausgefordert, mit unterschiedlichen Herkünften, Kontexten, sprachlichen Kenntnissen wie auch Religionen konstruktiv umzugehen. Doch nicht nur die unterschiedlichen kulturellen Prägungen stellen eine Herausforderung dar, sondern auch die oft variierenden Gruppenkonstellationen, bedingt z. B. durch TeilnehmerInnen, die nur einmal mitmachen, unregelmäßig kommen können oder nur eine begrenzte Zeit lang dabei sind. Auch auf diesen Umstand gilt es, sich einzustellen.
Mit Blick auf das breite Spektrum benötigter Kompetenzen für ein gelingendes kulturelles Arbeiten haben sich viele Träger auf den Weg gemacht und Qualifizierungsangebote für MusikerInnen und MusikpädagogInnen geschaffen, die die interkulturelle musikalische Arbeit in den Fokus nehmen. Zu nennen sind etwa die Studiengänge „Weltmusik“ an der Popakademie Mannheim oder „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“ am Center for World Music der Universität Hildesheim.
Im Bereich der Weiterbildung bietet unter anderem die Landesmusikakademie Nordrhein-Westfalen einen Zertifikatslehrgang Musikpädagogik für MusikerInnen verschiedener Kulturen sowie Workshops zum Beispiel zu orientalischen Spielweisen an. Die Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen schafft mit dem berufsbegleitenden Lehrgang „welt.kultur.praxis: Interkulturelle Ensemblepraxis“ Gelegenheit, sich intensiv mit Instrumental-/Gesangspraxis, Arrangieren, Musiktheorie, Methodik und Repertoire vor allem des orien­talischen Kulturraums für die interkulturelle musikalische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu befassen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Ensemb­learbeit vor Ort wie auch der Fortbildungsangebote lassen sich doch verbindende Leitgedanken benennen, an denen interkulturelle Ensemblearbeit orientiert werden kann.

Klären Sie, ob an ein exklusives oder inklusives Angebot gedacht ist

Für die didaktische Ausgestaltung interkultureller Angebote ist die Entscheidung grund­legend, ob inklusiv oder exklusiv gearbeitet werden soll. Exklusive Angebote sind ausschließlich für eine „geschlossene“ Zielgruppe gedacht – etwa für Geflüchtete. Hierfür spricht, dass Menschen in besonderen Lebenssituationen Schutzräume benötigen. Da­für werden Fachkräfte mit entsprechender Erfahrung für die Durchführung oder zumindest Begleitung gebraucht. Ein inklusives Ensembleprojekt anzubieten heißt, Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Sozialraum sowie ihren Fähigkeiten im gemeinsamen Musizieren zu vereinen. Hier sind die TeilnehmerInnen eingeladen, sich unabhängig von spezifischen Kompetenzen einzubringen, sich einzulassen auf ihre Verschiedenheit und zu erfahren, dass Unterschiede wertvoll sind, weil Gemeinschaft erst durch Vielfalt entsteht. So werden ihnen neue (Musik-)Kulturen nähergebracht und die Neugier auf bzw. Toleranz gegenüber unbekannten Kulturen und somit auch gegenüber Menschen aus diesen Kulturen kann erweckt werden. Überdies spielt in einigen inklusiven Projekten zusätzlich der Gedanke der Integ­ration eine Rolle.

Suchen Sie sich Kooperationspartner und bauen Sie Netzwerke auf

Als empfehlenswert hat sich für die interkulturelle Ensemblepraxis die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern herausgestellt. Das können Einzelpersonen, Fachkräfte oder Organisationen sein, etwa Migrationsorganisationen, die Caritas oder neu gegründete unabhängige Vereine. Wer sich als Koopera­tionspartner eignet, ist je nach Ausrichtung und Kontext sowie nach Zielgruppe zu entscheiden.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2019.