Müller, Mario

Wer hat Angst vor App & Co.?

Digitale Technik in der Musikschule: bessere Kommunikation und neue Möglichkeiten im Unterricht

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2015 , musikschule )) DIREKT, Seite 04

Musikschulen haben sich – obwohl sie ein sehr altes Kulturgut pflegen und Menschen seit Generationen die Möglichkeit zum Musizieren geben – immer wieder verändert und weiterentwickelt. Doch manche Musikschulen wirken wie Dinosaurier, die dringend modernisiert werden müssten. Viele Musikpädago­gInnen jedoch haben Angst vor Veränderungen und lehnen z. B. digitale Technik im Unterricht ab.

Die Verweigerungshaltung gegenüber neuen Medien kann in Musikschulen, in denen überwiegend klassische, akustische Instrumente unterrichtet werden, noch gut gehen. Hingegen kann dies in Musikschulen, die einen Rock/Pop- oder Jazzbereich anbieten, zum Problem werden. Kinder und Jugendliche werden mit Computern, Smartphones und Tablets groß, in ihrem Leben sind diese Geräte alltäglich. Natürlich kann man argumentieren, dass gerade die Musikschule eine Zone der digitalen Ruhe sein sollte; dies ist jedoch den meisten Kindern und Jugendlichen schwer zu vermitteln. Außerdem können wir uns in der Musikschule diese „digitalen Helfer“ zu Nutze machen und haben somit mehr Zeit für das Wesentliche, nämlich das Musizieren.

Netzwerk in der Musikschule

Um Computer und Tablets einsetzen zu können, benötigt man in der Musikschule einen Internetzugang. Damit dieser in allen Räumen verfügbar ist, eignet sich ein WLAN-Router für diese Aufgabe am besten. Sollte die Musikschule zu groß sein, sodass das WLAN-Signal nicht überall verfügbar ist, kann man so genannte Repeater einsetzen, die das Signal verstärken. Die ganze Installation ist ohne das Verlegen von Kabeln möglich und daher ohne großen Aufwand und preiswert zu bewerkstelligen. Zweckmäßig ist auch, einen Drucker in das Netzwerk einzubinden; auch das ist über WLAN möglich. Hierzu benötigt man einen WLAN-fähigen Drucker, den viele Hersteller im Angebot haben.

Die Cloud für die Musikschule

Eine Cloud ist eine Festplatte außerhalb des heimischen Rechners. Auf diese Festplatte kann man mit den unterschiedlichsten Geräten zugreifen. Egal ob mit Computer, Tablet oder Smartphone: Auf die Daten kann ich überall dort zugreifen, wo ich eine Verbindung zum Internet habe. Cloud-Lösungen gibt es mittlerweile unzählige. Einige der bekanntesten sind Dropbox, iCloud oder die Google-Cloud. Der Speicherplatz einer Cloud variiert von Anbieter zu Anbieter, kann jedoch mit einem kostenpflichtigen Account beliebig erweitert werden.
In der Cloud kann ich nun Unterrichts­materialien speichern, die ich für meine Arbeit mit den SchülerInnen benötige. Dies können selbstgeschriebene Noten, Playalongs oder Übungsblätter sein. Man muss allerdings das Kopierverbot von Noten beachten, wenn man keinen Verwertungsvertrag mit der VG Musikedition abgeschlossen hat. In der Cloud kann man für jede Lehrkraft einen persönlichen Ordner anlegen. Diesen Ordner kann die Lehrkraft dann abonnieren, sodass sie zu Hause ihren Unterricht vorbereiten und dort schon die Unterlagen in die Cloud hochladen kann. Das Ausdrucken der Schülerunterlagen aus der Cloud erfolgt dann direkt im jeweiligen Unterrichtsraum über den Netzwerkdrucker.

Kommunikation

Viele Musikschulen betreiben Filialen oder haben Unterrichtsräume, die außerhalb der Hauptstelle liegen, wo sich die Verwaltung und somit auch der Telefonsupport befinden. Nun stellt sich folgendes Prob­lem: Wie erreiche ich meine LehrerInnen im Unterrichtsraum, z. B. für die Absage eines Schülers? Da die DozentInnen während des Unterrichts ihre Handys zu Recht ausschalten oder zumindest stummgeschaltet haben sollten, kann man sie über dieses Medium nur schlecht erreichen. Hier können Computer oder Tablets in den Unterrichtsräumen ebenfalls hilfreich sein. Die Software Skype lässt sich sehr einfach auf jedem Gerät installieren. Wenn dies geschehen ist, richtet man für jeden Unterrichtsraum und in der Verwaltung einen Account ein und schon kann es losgehen. Die Verwaltungskraft ist nun in der Lage, Nachrichten direkt in die Unterrichtsräume zu senden. Natürlich funktioniert dies auch umgekehrt, sodass Lehrkräfte Nachrichten in die Schulverwaltung schicken können.
Skype kann natürlich noch mehr. Die Übermittlung von schriftlichen Nachrichten und Dateien funktioniert sehr gut und einfach, außerdem ist Telefonieren möglich. In Skype lassen sich auf dem Schulverwaltungsrechner auch Gruppen erstellen, mit denen man z. B. mit nur einer Nachricht sämtliche Unterrichtsräume einer Filiale erreichen oder sogar Telefon- und Videokonferenzen durchführen kann. Mein Tipp: Die Skype-Accounts nicht öffentlich machen und so sperren, dass niemand von außen Nachrichten schicken kann. Nur so ist eine rein interne Kommunikation möglich.
E-Mail-Accounts wären ebenfalls möglich, um interne Kommunikation herzustellen. Hierzu müsste allerdings für jeden Unterrichtsraum eine E-Mail-Adresse ak­tiviert und auf den einzelnen Rechnern ­installiert werden. Meiner Erfahrung nach ist dies sehr umständlich und nicht so komfortabel wie die Kommunikation über Skype.

Programme und Apps für den Unterricht

Die bisher aufgeführten Einsatzmöglichkeiten von Computern und Tablets haben die Aufgabe, die Organisation der Musikschule zu verschlanken und die Kommunikation zu verbessern. Nun komme ich zu den Einsatzmöglichkeiten im Unterricht. Selbstverständlich gibt es unzählige Musiker-Apps in den diversen App-Stores und Programme für Mac oder PC. Ich möchte ein paar Ideen geben, in welchen Unterrichtsbereichen man welche Apps und Programme anwenden kann.

Playalongs in unterschiedlichem Tempo oder unterschiedlicher Tonart
Viele Unterrichtswerke haben eine CD oder Download-Möglichkeit für Playalongs. So können SchülerInnen mit einer Band- oder Orchesterbegleitung üben und spielen. Doch was im ersten Moment so gut klingt, ist in der Praxis meist nicht einfach. Die Playalongs sind häufig nur im Ori­ginaltempo verfügbar. Wenn ein Schüler noch nicht so schnell spielen kann, ist für ihn das Playalong zunächst nicht brauchbar. Hier gibt es Abhilfe durch Apps, die es ermöglichen, das Tempo oder sogar die Tonhöhe von Audiofiles zu verändern. So können Playalongs genau den Bedürfnissen des Schülers angepasst werden. Die App Anytune Pro+ (Anystone Technologies) ist hierfür ein Beispiel. So macht den SchülerInnen das Üben mit den Playalongs aus der Konserve wieder richtig Spaß.

Gehörbildung
Für diesen Unterrichtsbereich gibt es geradezu perfekt geeignete elektronische Hilfen. Viele Schüle­rInnen haben keine Lust, Akkorde, Tonleitern oder rhythmische Figuren zu erkennen und wiederzugeben. Hier wirkt Gehörtraining über Tablet oder Computer wahre Wunder. Aus meiner eigenen Unterrichtserfahrung weiß ich, wie motivierend es ist, wenn man z. B. nach einer Trainingsrunde „Tonleitern erkennen“ eine Punktzahl bekommt, die man dann in der nächsten Stunde verbessern kann. Es gibt viele Angebote, das Gehör zu trainieren. Ich möchte zwei davon erwähnen: die App Better Ears (appsolute GmbH) sowie für Mac und PC das Programm EarMaster Pro 6 (EarMaster).

Arrangieren/Komponieren
Viele fortgeschrittene SchülerInnen möchten selbst ein Playalong für ihr eigenes Spiel erstellen. Dies funktioniert mit verschiedenen fertigen Loops sehr schnell und einfach. Loops sind gespielte Patterns auf diversen Instrumenten, die man über eine App den Harmonien eines Stücks anpassen kann. Man kombiniert einen Drum­loop mit einem Bassloop, dann noch etwas Piano dazu – und fertig. Diese Methode kann man bei zwei Programmen sehr gut anwenden: GarageBand (Apple) und Sequel (Steinberg).

Sonstiges
Einige kleinere Apps machen den Unterricht komfortabler. Ein Stimmgerät für alle Instrumente bietet z. B. Cleartune (Bitcount). Ein Metronom mit sämtlichen Taktarten gibt es bei Tempo (Frozen Ape). Und forScore (forScore LLC) ist ein Programm zur ­Notendarstellung mit Umblätterfunktion.

Improvisieren
Zum Schluss möchte ich eine App noch etwas hervorheben. Sie heißt iReal Pro (Technimo LLC) und ist für Jazzfreunde ein Muss. Nach der Installation kann man über eine Bibliothek z. B. sämtliche Akkordfolgen der Titel aus dem Realbook herunterladen. Diese können als Playalongs in verschiedenen Tempi oder Tonarten verwendet werden. Außerdem kann man den Stil der Stücke ändern, damit das Üben nicht langweilig wird. Der Clou ist jedoch, sich während des Abspielens die Skalen zur Improvisation einblenden zu lassen. Das ist für die Instrumente Klavier/ Keyboard, Gitarre und neuerdings auch Ukulele möglich. Für die Einblendung der Skalen orientiert sich die App an den Harmonien aus dem jeweiligen Titel und zeigt so pro Harmonie eine Skala an. Eine wirklich tolle Sache für das Improvisationstraining.

Wenn man sich mit den Themen „Neue Medien“ und „App-Unterstützung im Unterricht“ beschäftigt, wird man immer wieder auf neue Ideen kommen. Ich kann nur dazu aufrufen, sich auf das ein oder andere Experiment einzulassen; neben dem Spaßfaktor erhält man eine echte Erleichterung in der Verwaltung der Musikschule sowie neue Ideen für den Unterricht.