Behschnitt, Rüdiger
„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit…“
Der 11. Bundeskongress des bdpm in Hannover fand mit Rekordbeteiligung und gewachsenem Selbstbewusstsein statt
„Das ist live, das ist schön!“ – Freudestrahlend kommentierte Carlotta Truman ihren eigenen Auftritt und den ihrer Band „Carlotta And The Truman Show“ vom music college Hannover und gab damit zugleich ein Motto, das für die gesamte Eröffnungsveranstaltung des bdpm-Kongresses in Hannover Gültigkeit beanspruchen konnte. Die Redner beschränkten sich auf kurze Grußworte und wenige Statements, denn im Mittelpunkt standen die Musik und die Musizierenden, die kraftstrotzend Zeugnis abgaben von der Musizierfreude, die ihnen in ihren Musikschulen vermittelt wird.
Das Titelzitat wurde von Eric Ridder, 1. Vorsitzender des bdpm-Landesverbands Niedersachsen-Bremen, keineswegs als Warnung verstanden; er war sich sicher, dass der bdpm die Zeichen der Zeit erkannt und mit dem Kongressmotto „Musikschule 2020“ die Themen der Zukunft im Blick hat. Unterstützung erhielt er von Franz Riemer, Präsident des Landesmusikrats Niedersachsen: Mit dem Blick bis zum Jahr 2020 habe der bdpm eine überschaubare und kalkulierbare Spanne ins Auge gefasst, mit der sich zuverlässig und ohne Spekulationen planen lasse.
Im Zeichen dieser verlässlichen Zukunftsplanung standen auch die Themen der Workshops, die sich z. B. digitalen Herausforderungen stellten – „Apps für den Musikunterricht“, „Digital Keys 2.0: Moderne Instrumente für den Unterricht“ – oder Möglichkeiten diskutierten, inklusiv mit Kindern unterschiedlicher Kulturen und Leistungsstände zu arbeiten. Hier macht z. B. das Früherziehungsprogramm Goblins Angebote durch die Verbindung von Musikalischer Früherziehung und Frühenglisch.
Der Eröffnungsvortrag von Armin Klein, Professor für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, bot Konfliktpotenzial, ist Klein doch einer der vier Autoren der 2012 erschienenen Polemik Der Kulturinfarkt, die mit ihrer Forderung nach Schließung eines Teils der öffentlich finanzierten Kulturinstitutionen und Umverteilung staatlicher Kulturförderung für Furore sorgte und bis heute Stoff für Diskussionen liefert. Kleins nachvollziehbare Forderung, öffentlich finanzierte Kulturinstitutionen dazu zu verpflichten, ihren Anteil der Eigenfinanzierung deutlich zu erhöhen, erzeugte allerdings in der sich anschließenden Diskussion bei einem kleinen Teil der Anwesenden recht durchschaubare Polemiken gegen subventionierte Hochkultur. Hier tut der bdpm gut daran, keine Neiddebatte zu führen und seine Forderungen nach Teilhabe an staatlicher Förderung ohne Sprengsätze gegen bestehende Kulturbereiche zu erheben.
Recht emotional wurde auch in der Podiumsdiskussion „Onlinemusikschulen: Zukunft oder Sackgasse?“ debattiert. Einen schweren Stand hatten Olena und Konstantin Kutepov, BetreiberInnen von musikschuleonline.com, die sich gegen massive Vorwürfe zur Wehr setzen mussten. Für viele InstrumentalpädagogInnen ist die Vorstellung, Unterricht und sogar musikalische Früherziehung via Skype anzubieten, noch immer indiskutabel. Erst allmählich kamen auch ausgleichende Stimmen zu Wort, die sich an zurückliegende Diskussionen erinnerten, bei denen die bdpm-Musikschulen diejenigen waren, die „am Pranger standen“. Die Zukunft wird zeigen, inwieweit Online-Unterricht sich durchsetzen und zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell werden kann.
Auch der bdpm selbst hat als Verband einige wichtige Weichen für seine Zukunft gestellt. So wurde in Hannover die Verschmelzung des Bundesverbands deutscher Privatmusikschulen (bdpm) mit dem Europäischen Klavier-, Keyboard- und Orgellehrerverband (EKOL) beschlossen. Noch wichtiger: Der bdpm wird demnächst unter neuem Namen als Bundesverband der freien Musikschulen (bdfm) firmieren und sieht sich als Dachverband aller freien Musikschulen in Deutschland. Eine Entscheidung, die angesichts einer sich neu ergebenden Mitgliederstruktur von großer Tragweite ist (siehe dazu auch unser Interview mit Mario Müller, Bundesvorsitzender des bdpm, auf Seite 38).
„Musikschule 2020“ – schon in naher Zukunft wird sich zeigen, ob die Neuausrichtung des bdpm die vom Verband gewünschten Früchte tragen und möglichst vielen Menschen persönlich tiefgreifende Erlebnisse mit Musik ermöglichen wird: „Das ist live, das ist schön!“
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