Bossen, Anja

Wertschätzung und Willkommenskultur

Kommentar

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2015 , musikschule )) DIREKT, Seite 01

Dass Musik zur interkulturellen Verständigung beiträgt – über alle kulturellen Grenzen hinweg, einschließlich sprachlicher Barrieren –, stellt aktuell das Hamburger Konservatorium unter Beweis (siehe unseren Artikel auf den Seiten 2 und 3). Dessen Lehrkräfte gehen in zentrale Aufnahmelager für Flüchtlinge, in denen Hunderte von Kindern unter schwierigsten Bedingungen leben, und machen ihnen verschiedene musikalische Angebote – so viele, dass der Direktor des Hamburger Konservatoriums, Markus Menke, bereits von einer „Musikschule auf dem Gebiet der Zentralen Erstaufnahme“ spricht. Weitere Angebote sind im Aufbau, und künftig sollen auch erwachsene Flüchtlinge die Möglichkeit haben, Instrumentalunterricht an der Musikschule zu erhalten. Dafür übernehmen Mitbürger als Paten die Finanzierung.

Hier zeigt sich eine Wertschätzung und Willkommenskultur, die man sich so auch ­andernorts nur wünschen kann: Musik als so oft in politischen Reden beschworenes Lebensmittel unkompliziert und großzügig zu verteilen. Sogar die Lehrkräfte werden fair bezahlt, statt dass (mal wieder) hauptsächlich auf ihr ehrenamtliches Engagement gebaut wird. Noch schöner wäre diese Nachricht allerdings, wenn dafür auch auf längere Sicht mehr staatliche Mittel bereitgestellt würden, die ebenso schnell und unkompliziert verfügbar wären wie seinerzeit die Mittel, mit denen systemrelevante Banken gerettet wurden. Doch ob das in Anbetracht der Absicht des Bundesinnen­ministers, Leistungen für Asylsuchende zu senken, passieren wird, ist mehr als fraglich.

Vertrauen wir also weiter auf die anhaltende Spendenbereitschaft der Bevölkerung und die Zuwendungen aus Stiftungen, ohne die dieses Beispiel hundertprozentig gelungener Inklusion im Sinne einer Akzeptanz von Menschen ungeachtet ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer Herkunft nicht möglich wäre. Ich wünsche der ersten ZEA-Musikschule Deutschlands, dass sie ihren Wachstumskurs beibehalten kann. Lautete das Motto des ersten Hamburger Inklusionssymposions an der Landesmusikakademie im November 2013 doch: „Jeder ist anders und alle sind gleich, ob schwarz oder weiß, ob arm oder reich…“ In Hamburg folgen diesen Worten beeindruckende Taten.