Igudesman, Aleksey / Hyung-ki Joo
When We Were Young / How Far Can You Go
Im „Doppelpack“ präsentieren die beiden Instrumentalvirtuosen – beide 1973 geboren – gemeinsam in zwei Heften jeweils zwei Stücke. Niemanden wundert es, wenn es dabei wieder darum geht, virtuose Grenzen auszureizen und Musik als Show zu präsentieren.
Im Vorwort beschreiben die Autoren die Entwicklung der besonderen Idee zu diesen Kompositionen: Animiert durch den Violinpädagogen Pavel Vernikov riefen sie einen Musikwettbewerb ins Leben, als Gegenentwurf zu den zahlreichen existierenden klassischen Wettbewerben: das „Feast of Duos“ für die Kategorie Duo Violine/Klavier mit der bemerkenswerten Altersklasse 8 bis 88 Jahre. Zur Teilnahme gehört neben traditionellen Repertoirestücken mindestens ein originäres Werk, das ein oder mehrere Elemente aus den Bereichen szenische Darstellung, Lesung, Choreografie, Improvisation und/oder Komik enthält. Damit ist auch der Rahmen der vier Kompositionen abgesteckt. Wer „im Netz“ eine Perfomance der Stücke durch die Autoren sucht, sucht vergeblich: Sie wollen die Kreativität der SpielerInnen nicht durch eigene Vorgaben oder Beispiele behindern.
Für eine Präsentation der Stücke muss man als Instrumentalist bereit sein, übliche musikalische Wege zu verlassen und zum Grenzgänger zwischen ernsthaftem Musiker und clownesquem Schauspieler zu werden; denn man spielt nicht nur Violine, sondern tanzt auch langsamen Walzer im Walzertakt, geigend zum Spiel des Klaviers im 4/4-Takt. Gelegentlich streiten sich die MusikerInnen um das Instrument und mischen dabei ihr Spiel. Zusätzlich zur spielerischen Sicherheit müssen beide InterpretInnen über Freude an komödiantischer Darstellung verfügen, um neben dem perfekten Instrumentalspiel auch eine überzeugende Performance liefern zu können.
Die Titel der Stücke sind Programm: Forever Young Key (Joo) entwickelt sich vom Stimm-a in teilweise komplizierten rhythmisch-metrischen Varianten mit Dissonanzen, Störungen, Spiel-, Sprech- und Improvisationsanweisungen über die übrigen leeren Saiten. Das Stückchen endet mit akkordbegleiteten Pizzicatotakten – wobei der Violinist nicht nur an den Saiten zupft, sondern auch an seiner Kopfbehaarung – schließlich wie es begonnen hat, auf dem a’ (gesungen). Die Antwort (Igudesman) lautet When I Was Young und beginnt wieder mit dem leittönig vorbereiteten „jugendlichen“ a’ und entwickelt das Spiel über dissonante Akkordschläge und virtuose Spielfiguren zu einem wahrhaften „Zuständigkeitsstreit“ der Instrumente.
As Far As You Can (Igudesman) und Beyond The Limit (Joo) sind ähnlich konzipiert, verlangen beiden Ausführenden aber eine höhere technische Fertigkeit ab. – Ein reizvolles Vorhaben für MusikerInnen mit Freude an clownesquer Show und Improvisation!
Uwe Gäb