Dartsch, Michael / Govinda Wroblewsky
Wie geht es ihnen?
Einblicke in eine Alumni-Studie des Netzwerks Musikhochschulen zum künstlerisch-pädagogischen Studium
Die Alumnibefragung des Netzwerks Musikhochschulen ist eine umfassende Studie zum Verbleib von AbsolventInnen der deutschen Musikhochschulen und wurde auf Betreiben der im Netzwerk verbundenen Hochschulen entwickelt. Sie berücksichtigt sowohl alle an den Musikhochschulen angebotenen Studienbereiche als auch die Spezifika des Musikstudiums und die Besonderheiten der Erwerbsbiografien von MusikerInnen. Das Befragungsinstrument ist mit ExpertInnen aus den Musikhochschulen entwickelt worden. Die Alumnibefragung ist als ein kooperatives Projekt aller Musikhochschulen angelegt und durchgeführt worden mit dem Ziel, auch hochschulübergreifende Aussagen zur Situation der Musikhochschul-AbsolventInnen treffen zu können.
Grundlage dieses Beitrags ist eine Fragebogenstudie an elf deutschen Musikhochschulen, die vom Netzwerk Musikhochschulen1 im Jahr 2018 durchgeführt wurde. Unter den angeschriebenen AbsolventInnen verschiedener Studiengänge befanden sich 412 Personen, die ein künstlerisch-pädagogisches Studium absolviert hatten.
Ungefähr 28 Prozent der Angeschriebenen sandten den Bogen zurück; 98 AbsolventInnen hatten Instrumental- oder Gesangspädagogik (IGP) studiert, 16 Elementare Musikpädagogik (EMP).2 Im Folgenden bezieht sich der Beitrag auf diese beiden Gruppen (N = 114), die hier meist zusammengefasst dargestellt werden. Die Studienabschlüsse lagen zwischen dem Winter 2012/13 und dem Sommer 2015. Etwa die Hälfte der Befragten hatte noch einen Diplomstudiengang studiert, die anderen hatten bereits einen Bachelor- oder Masterabschluss erworben. Studierende aus Deutschland sowie der EU sind in den Daten im Vergleich zu den Zahlen bei allen Absolventinnen und Absolventen etwas überrepräsentiert. Die Studie ermöglicht es erstmals, Vermutungen zu Motiven, Beschäftigungen und Zufriedenheit auf der Basis von Daten zu überprüfen.
Die Studienzeit
Lohnend ist bereits die Frage, mit welchen Motiven die damaligen Erstsemester ihr Studium begonnen hatten. Die stärkste Zustimmung („sehr wichtig“ und „wichtig“) fand das Motiv, seinem Talent nachzugehen (94%), es folgten die Motive, sich künstlerisch auszudrücken (84%) und pädagogisch zu handeln (66%). Letzteres ist also durchaus ein wichtiges Motiv zu Studienbeginn. Mehr als zwei Drittel (68%) geben an, im Studium regelmäßig gearbeitet zu haben. Dass man überhaupt nicht gearbeitet hat, kommt bei den EMP-Studierenden gar nicht, bei den IGP-Studierenden nur in 7% der Fälle vor. Bei fast 90% der Befragten handelt es sich um eine künstlerisch-pädagogische Arbeit, 56% gehen auch künstlerischen Tätigkeiten nach und jeweils etwa 10% leiten ein Ensemble (Chor/Orchester) oder arbeiten wissenschaftlich. Es zeigt sich, dass der Einstieg in die Berufstätigkeit bereits im Studium erfolgt und dass auch Konzertieren neben dem Unterrichten dabei seinen Platz hat.
45% der Befragten aus der IGP und der EMP gaben an, noch mindestens ein weiteres Studium aufgenommen zu haben (n = 50), zumeist mit künstlerischer Ausrichtung. Insgesamt 14% studierten noch zwei und eine Person sogar drei weitere Studiengänge. Rund zwei Drittel der Mehrfachstudierenden wollen mit den weiteren Studien ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern, noch häufiger aber wird als Motiv das fachliche Interesse (77%) und die künstlerische Weiterentwicklung (70%) genannt.
Auch die Berufsziele der Studierenden haben sich weiterentwickelt: Zu Studienbeginn wurde mit hauchdünnem Vorsprung am häufigsten (72%) das Ziel der Künstlerin und des Künstlers angestrebt, fast genauso häufig allerdings (69%) das der Pädagogin und des Pädagogen, ganz selten schließlich (2%) eine Wissenschaftskarriere. Beim Studienabschluss hatte die Pädagogik, die dann von ungefähr drei Vierteln angestrebt wurde, das Künstlerische bereits überholt. Zum Befragungszeitpunkt ist das Künstlerische als Berufsziel auf 67% gesunken, während die Pädagogik auf 77% und die Wissenschaft auf immerhin 9% angestiegen ist. Eine genauere Analyse zeigt, dass sich 44% einen Beruf als KünstlerIn und gleichzeitig auch als PädagogIn wünschen, die reine Pädagogik streben knapp 30%, das rein Künstlerische 17,5% an. Die Nomenklatur künstlerisch-pädagogisch entspricht dem Selbstverständnis der Absolvierenden also recht gut.
Die Arbeit einige Jahre später
Der Abschluss der Absolventinnen und Absolventen lag zum Zeitpunkt der Befragung höchstens fünfeinhalb und mindestens drei Jahre zurück. Natürlich war es von Interesse zu erfahren, welchen Tätigkeiten sie inzwischen nachgehen. 87% (N = 88) der 101 gültigen Fälle geben an, aktuell erwerbstätig zu sein. Von diesen berichteten 45% von einer unbefristeten Anstellung, weitere 11% von einer befristeten Anstellung, gut 42% sind freiberuflich bzw. als Honorarkraft tätig. Über die Hälfte der Erwerbstätigen gibt an, in Teilzeit zu arbeiten. Etwa 13% geben an, nicht erwerbstätig zu sein. Rund 7% der Antworten entfallen auf Familienarbeit oder Elternzeit und 6% auf Arbeitssuche, davon sind nur vier Personen ausschließlich arbeitssuchend.
Insgesamt zeigt sich ein starker Trend zu Berufsmosaiken: Bei der Frage, ob man derzeit eine oder mehrere Tätigkeiten ausübe, entfallen zwei Drittel der gültigen Antworten auf die Option mehrerer Tätigkeiten. Die häufigste Erwerbstätigkeit ist der Unterricht an einer Musikschule, was von 38% der Erwerbstätigen (N = 82) angekreuzt wird. Mit 17% wird der Beruf der Privatlehrkraft vergleichsweise seltener angegeben, jedoch wird diese Tätigkeit mit 16% in zweiter und noch mit 9% in dritter Tätigkeit ausgeübt. Die restlichen Antworten reichen von rein künstlerischen Berufen bis hin zur allgemeinbildenden Schule und anderen pädagogischen Institutionen. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass ein künstlerisch-pädagogisches Studium heute nicht linear in die Musikschularbeit mündet, dass diese aber immer noch das bedeutendste Berufsfeld darstellt.
Unter denjenigen, die Auskunft über ihr Einkommen geben, beträgt der durchschnittliche Brutto-Monatslohn gut 2000 Euro. Allerdings liegt nur für rund 62% aller 114 aus IGP und EMP Befragten die entsprechende Summe vor. Die durchschnittliche Antwort auf die Frage nach der Zufriedenheit mit dem bislang erzielten Einkommen lautet „teils, teils“, während sie für die aktuelle berufliche Situation insgesamt im Bereich „zufrieden“ liegt. Fast ein Viertel ist mit der aktuellen beruflichen Situation sogar „sehr zufrieden“, zusammen mit denen, die „zufrieden“ wählen, kommt man auf knapp zwei Drittel Zufriedene und sehr Zufriedene. Etwa ein Viertel wählt „teils, teils“, 9% sind „unzufrieden“ und nur 1% ist „sehr unzufrieden“.
Die Zufriedenheit mit dem Studium
Die meisten Befragten stellen dem Studium im Nachhinein ein gutes Zeugnis aus. 33% sind nach eigener Auskunft „sehr zufrieden“, 46% sind „zufrieden“ damit. Die Gruppe der EMP ist insgesamt so klein, dass Vergleiche zu Ergebnissen führen, bei denen man nicht ausschließen kann, dass sie zufällig zustande gekommen sind. In der EMP-Gruppe sind jedenfalls 53% „sehr zufrieden“, während es bei der IGP 30% sind. Unter den IGP-Studiengängen fällt auf, dass Bachelor und Master deutlich besser beurteilt werden als die älteren Diplomstudiengänge. Unter den 45 Diplomen gibt es immerhin 2% sehr Unzufriedene und 7% Unzufriedene sowie 24%, die „teils, teils“ ankreuzen, insgesamt kommt also ein Drittel nicht zu einer positiven Bewertung. Demgegenüber werden die Kategorien „sehr unzufrieden“ und „unzufrieden“ in der Gruppe von Bachelor (n = 24) und Master (n = 21) gar nicht gewählt. „Teils, teils“ kreuzen beim Bachelor 13% und beim Master 10% an. Dies lässt hoffen, dass die Reformen im Zuge der Bologna-Reform zu Studiengängen geführt haben, mit denen die Studierenden im Vergleich zu vorher ein gutes Stück zufriedener sind. Die größere Zufriedenheit färbt sogar auf das Hauptfach ab, denn auch hierfür ergibt sich eine deutlich höhere durchschnittliche Zufriedenheit als beim Diplom.
Mit den Praktika, dem Studienklima und der Verwaltung ist die Gruppe der EMP am zufriedensten. Im Falle der Praktika könnte vielleicht die Tatsache eine Rolle spielen, dass diese in der EMP manchmal nicht an Musikschulen, sondern mit Gruppen an der Hochschule selbst durchgeführt und somit von Hochschuldozierenden betreut werden. Auch die Möglichkeiten, eigene Ideen zu entwickeln, sich pädagogisch zu entwickeln und individuelle Schwerpunkte zu setzen, werden von der Gruppe der EMP höher eingeschätzt als bei der IGP. Aber auch hier muss auf die geringe Größe der EMP-Gruppe verwiesen werden. Während schließlich in der Gruppe der IGP und der EMP 80% dem Studium bescheinigen, dass es Möglichkeiten ließ, sich künstlerisch zu entwickeln, stimmen bezüglich der pädagogischen Entwicklungsmöglichkeiten nur 64% der Befragten voll zu oder zu.
Über die Hälfte der befragten Absolventinnen und Absolventen der IGP und der EMP bejahen, dass die im Studium erworbenen Kompetenzen für die beruflichen Anforderungen geeignet sind. Nimmt man diejenigen dazu, die „trifft eher zu“ wählen, tendieren insgesamt fast drei Viertel dazu, die erworbenen Kompetenzen für geeignet zu halten. Ein gutes Viertel hingegen sieht dies anders, wobei 18% „teils, teils“ und 8% „trifft eher nicht zu“ ankreuzen.
Neben einer solchen globalen Abfrage ist die Beurteilung einzelner Aspekte des Studiums aufschlussreich: Besonders gut werden das Studienklima und die persönliche Betreuung bewertet, immer noch sehr gut fällt das Urteil über die Studierbarkeit aus. Etwas weniger euphorisch wird über die fachliche Betreuung und die Lehrqualität geurteilt, die im guten Bereich liegen. Dicht dahinter folgt die Einschätzung der Betreuung und Kommunikation von Seiten der Verwaltung. Unter den Absolventinnen und Absolventen eines Masters und insbesondere eines Diploms in IGP sind prozentual wesentlich weniger Befragte „sehr zufrieden“ mit dem Studienklima und der Verwaltung. Am schlechtesten werden insgesamt die Praktika bewertet, hier neigt etwa jede siebte Person aus der Gruppe der IGP und der EMP zu einem schlechten oder sehr schlechten Urteil, im alten Diplom ist es sogar rund die Hälfte. Dies zeigt, dass vor allem hier Verbesserungen erreicht worden sind, aber auch noch anzustreben wären.
Fazit
Zum Abschluss noch einmal einige zentrale Ergebnisse:
– Die Pädagogik stellt ein wichtiges Motiv und Berufsziel in der IGP und der EMP dar. Es handelt sich hier also nicht um „verhinderte“ Künstlerinnen und Künstler.
– Daneben spielt aber auch das Künstlerische eine große Rolle: Es wird im Studium schon als Arbeit ausgeübt und stellt auch später eine Facette der Berufstätigkeit dar.
– Der Berufseinstieg erfolgt für die meisten bereits im Studium.
– Viele erwerben mehrere Abschlüsse.
– Der Beruf ist häufig ein persönliches Mosaik aus verschiedenen Tätigkeiten.
– Die Musikschule stellt ein wichtiges Arbeitsfeld dar.
– Daneben aber mündet das Studium für nicht wenige auch in andere Berufsbilder.
– Mit der generellen beruflichen Situation ist man im Durchschnitt zufrieden.
– Mit dem Einkommen ist man im Durchschnitt weder zufrieden noch unzufrieden.
– Das Studium wird im Rückblick überwiegend positiv beurteilt.
– Bachelor- und Master-Studien werden deutlich besser bewertet als die alten Diplom-Studiengänge.
– Die künstlerischen Entwicklungsmöglichkeiten werden höher eingeschätzt als die pädagogischen.
– Highlights sind die persönliche Betreuung und das Studienklima.
– Als durchschnittlich gut, aber nicht sehr gut, werden die Lehrqualität und die Betreuung durch die Verwaltung eingestuft.
– Schlusslicht in der Bewertung sind die Praktika.
1 www.netzwerk-musikhochschulen.de
2 Die im Folgenden genannten Prozentwerte beziehen sich jeweils auf die gegebenen tatsächlichen, „gültigen Antworten“, demnach auf eine leicht variierende Grundgesamtheit aufgrund von Antwortverweigerung oder Dropouts. Bei den meisten Fragen liegt die Anzahl zwischen 114 und etwa 80 Antworten, demnach sind die Daten aussagekräftig.
Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 5/2020.