© Maria Weber-Krüger

Steinbach, Anne

Wie klingt es denn in deinem Kopf?

Mit Kindern über Musik sprechen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2019 , Seite 12

Während Kinder sich mit Musik beschäftigen, erzählen sie zuweilen, was sie gerade bewegt. Instrumentale Klänge oder bestimmte Spieltechni­ken können Äußerungen des Erstau­nens hervorrufen, auf einen besonders lustigen Klang folgt auch einfach mal ein Lachanfall. Wer hier zuschaut und zuhört, kann erfahren, was Kinder über Musik denken und welche Bedeutungen sie ihr zuweisen. Lässt sich herausfinden, was ihnen an Musik wichtig ist?

Ein Kleinkind hebt einen Schellen­kranz vom Boden auf und ruft erstaunt „Oh!“, als er erklingt. Nun wird das Instrument genauer untersucht, dabei ruft das Kind noch mehrmals „Oh!“ und lacht. – Ein Mädchen im Vorschulalter hört aufmerksam zu, während ich Alle meine Entchen pfeife. Nach und nach fällt sie summend mit ein und erklärt dann: „Das kam mir auch so bekannt vor, wollt schon versuchen, ganz leise mitzusingen.“ Dann ergänzt sie: „Hab ich auch.“
Welche musikalischen Ideen, welche Assoziationen entwickeln Kinder im Umgang mit Klängen und Instrumenten? Welche Rolle spielt Musik in ihrem Alltag oder in speziellen Unterrichtsangeboten? Was wissen Kinder über Musik? Was möchten sie über Musik erzählen? Antworten auf diese Fragen können in Alltagssituationen aufscheinen, sie können aber auch Unterrichtsinhalt zum Beispiel einer Musikalischen Früherziehung sein oder forschend gesucht werden. Im ­Folgenden werden Beispiele aus der Erforschung subjektiver musikbezogener Sichtweisen von Kindern aufgegriffen und als Impulse für die musikpädagogische Praxis genutzt.1
Der Musikpädagoge Michael Dartsch beschreibt die Ausdifferenzierung kindlicher musikbezogener Fühl-, Denk- und Verhaltensmuster als Voraussetzung zum weiteren Umgang mit Musik. Dies führt dazu, dass die Kinder „mit Freude und Selbstvertrauen singen, auf Instrumenten spielen, sich zu Musik bewegen, Musik hören und über Musik sprechen, dass sie beispielsweise einfache Tonfolgen sauber singen, einfache Rhythmen auf Instrumenten spielen, Musik verschiedener Tempi in Bewegung umsetzen, verschiedene Ausprägungen musikalischer Parameter hörend unterscheiden und Bezüge zwischen Notationsformen und ­Musik herstellen können“.2 Innerhalb des Spekt­rums von Umgangsweisen mit Musik nimmt das Gespräch also einen eigenen Platz ein, es dient der Reflexion nach dem gemeinsamen Musizieren oder dem Austausch von Ideen und Eindrücken. Oder es ist dem Staunen und Fragen gewidmet, den beiden wesentlichen Impulsen, die auch für das Philosophieren mit Kindern gelten: „Kinder staunen über die Rätsel der Welt und begeben sich noch nicht wie Erwachsene in das ‚Gefängnis der Konventionen‘: Sie fragen unbefangen nach und nutzen jeden noch so kleinen Augenblick, um große Fragen über die Welt zu stellen. Tabus gibt es nicht; alles wird radikal hinterfragt, Gott ist genauso ein Thema wie Glück oder Gerechtigkeit. Denn Kinder sind ergriffen von den vielen kleinen und großen Dingen und Augenblicken des Daseins. Und sie geben na­türlich auch Antworten, die uns Erwachsenen zeigen, dass ihre Gedanken über die Welt in die Tiefe gehen.“3
Wer unvoreingenommen mit Kindern ins Gespräch über Musik kommt, wird nicht selten auch selbst fragen und staunen und somit eigene Vorannahmen oder Selbstverständlichkeiten in Frage stellen.

Gespräche mit Kindern folgen eigenen Regeln

Je jünger die Kinder sind, desto mehr wird das Sprechen durch nonverbale Kommunikationselemente ergänzt. So „gibt es vielfältige Erzählformen, die sich anderer Ausdrucksmittel bedienen, etwa der Bildsprache, der Körpersprache in Mimik und Gestik, dem dramatischen Spielen oder auch der Musik. Ein Kind kann auch im Spielen oder Malen wichtige Geschichten aus seinem Leben erzählen und den Erwachsenen Deutungsmuster des Erlebten anbieten.“4

1 Ausführlicher und mit einem Schwerpunkt auf der Interviewforschung mit Kindern behandle ich die Thematik des vorliegenden Textes in Anne Steinbach: „Mit Kindern über Musik sprechen. Impulse aus der qualitativ-empirischen Interviewforschung“, in: Frühe Bildung 2016, 5(3), S. 134-141.
2 Michael Dartsch: „Musikalische Bildung in der Elementarstufe/Grundstufe. Grundlegende Aspekte der Elementaren Musikpädagogik“, in: Verband deutscher Musikschulen (Hg.): Bildungsplan Musik für die Elementarstufe/Grundstufe, Bonn 2010, S. 19.
3 Barbara Brüning: „Woher kommen Sonne, Mond und Sterne? Spielerisches Philosophieren über die großen Fragen jüngerer Kinder“, in: Martin Textor (Hg.): Kindergartenpädagogik. Online-Handbuch, 2011, S. 5, www.kindergartenpaedagogik.de/images/PDF/2162.pdf (Stand: 18.6.2019).
4 Burkhard Fuhs/Susanne Schneider: „Normalisierungsvorstellungen und Adultismus als Probleme für die erzählerische Erschließung frühkindlicher Lebenswelten“, in: Frühe Bildung, 2012, 1(3), S. 126; vgl. auch Iris Nentwig-Gesemann: „Qualitative Methoden der Kindheitsforschung“, in: Margrit Stamm/Doris Edelmann (Hg.): Handbuch frühkindliche Bildungsforschung, Wiesbaden 2013, S. 762.

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