Krüger, Christiane

Wiedersehen macht Freude

Welche Rolle spielt Disziplin an der Musikschule?

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2009 , Seite 12

Wiedersehen macht Freude – ein „Rezept“ von Gerhard Mantel in seinem Buch „Einfach üben“, das den Anstoß gab zu zahlreichen Gesprä­chen mit meinen Schülern zur Frage: „Worauf freut ihr euch denn eigentlich, wenn ihr in den Musik­schul­unterricht kommt, wenn ihr auf eurem Instrument spielt oder euch auf ein Konzert vorbereitet?“ Wieder­sehen mit wem macht Freude? Kann das Wiedersehen mit der Lehrerin, den MitschülerInnen oder sogar mit dem eigenen Instru­ment gemeint sein, das manchmal vielleicht doch einen Tag oder gar eine Woche sehnsüchtig auf seinen Besitzer wartet? Ganz schnell ist man dann bei den Themen Üben, Lernen, Schule, zu wenig Zeit, Organisation und auch Disziplin…

Lautes Stimmengewirr dringt aus dem kleinen Saal der Musikschule. Die Tür zum Flur ist noch offen. Erste Trompetenstöße, kräftiges Hornblasen, zaghaftes Zupfen am Cello, ein paar schräge Striche auf der Geige und lustiges Trommeln auf der Kinderpauke beherrschen den Raum. Die „Schildkröten“ aus dem Karneval der Tiere von Saint-Saëns pras­seln munter durcheinander mit Noten aus Mary had a little lamb. Dazwischen die vorsichtigen, aber noch hoffnungslosen Versuche der 11-jährigen „Konzertmeisterin“, mit dem Stimmen der Instrumente zu beginnen… Knapp 20 Kinder das Nachwuchsorchesters zwischen sieben und zwölf Jahren demonst­rieren in ausgelassener, übermütiger Form, dass in eine Musikschule „ganz normale“ Kinder gehen, die laut und ungestüm sein können, die Lust zum Toben haben, sich viel erzählen möchten, die sich aber auch freuen, sich an diesem Nachtmittag wieder zu sehen (Jessy: „Ich freue mich immer auf Freia“). Sie kommen, um sich zu treffen, über die Unterrichtsstunden am Vormittag zu plaudern, und sie freuen sich darauf, gleich gemeinsam Musik zu machen! Das beweist die regelmäßige Anwesenheit fast aller Orchesterkinder.
Was draußen nicht zu hören war: Diese 20 Kinder haben gerade selbstständig die gesamte Vorbereitung für die Unterrichtsstunde geleistet – Stühle sortiert, Notenständer aufgebaut und die Noten aufs Pult gestellt. Das sind sie nämlich seit der ersten Probe so gewöhnt. Das ist toll und sehr diszipliniert. Ich schließe die Tür und unsere Orchesterprobe kann beginnen.

Disziplinprobleme an der Musikschule?

Es herrscht bei vielen sicher das Klischee, in einer Musikschule gäbe es keine Disziplinprobleme. Es seien ja alles ausgewählte Kinder und es würde ja nur im Einzel- oder Kleingruppenunterricht gearbeitet (wogegen inzwischen die vielen Kooperationsprojekte mit den allgemein bildenden Schulen sprechen), da könne man sich über Disziplinprob­leme doch wohl nicht beklagen…
Stimmt! Aber auch nicht immer! Zur Beruhigung aller möchte ich deshalb nochmals unterstreichen, dass es auch in einer Musikschule „ganz normale“ Kinder und Jugend­liche mit all ihren guten und weniger guten Eigenschaften und Charakterzügen gibt. Und diese Kinder wissen auch ganz genau, was alles dazugehört, im herkömmlichen Sinn des Wortes „diszipliniert“ oder „undiszipliniert“ zu sein.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2009.