Quakernack, Helmut

Winter-Sonate

für Akkordeon

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Hohner, Mainz 2012
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 61

Der Jahreszeit Winter ist im Bereich künstlerischer Literatur für Akkordeon solo noch kaum ein Werk gewidmet. „Frühlingssonatine“, Volksliedlein „Sommerwind“, „Herbstelegie und Capriccio“ sind nun durch eine Winter-Sonate jahresergänzt, die etwa im Mittelsatz „Intermezzo“ ihre winterliche Ruhe in Weiß wie auch leichtes Schneekräuseln vorführt. Bellows-Shakes am Ende des ersten Satzes bedeuten zittriges Frösteln im kalten Wind. Der dritte Satz im hurtigen Sechsachtel-Takt lässt an Pferdeschlitten denken, überhaupt an Treiben im Schnee.
Alle diese Assoziationen sind reine Spekulation, fantasieabhängig und nicht festgelegt! Ohne Text dürfte der Winter emotional ohnehin schwerer zu greifen sein als die anderen Jahreszeiten. Ein kurzes Vorwort des Komponisten hätte vielleicht dessen winterlicher Intention in und zu dieser Sonate eine grobe Richtung geben können. (Wäre ja möglich, dass sich ein „winterlicher“ Cantus firmus irgendwo verbirgt.)
Das dreisätzige Werk steht in einer Art erweiterter Tonalität, das heißt, dass terzverwandtschafts-entferntere Harmonien, mitunter über enharmonische Verwechslungen und modale Varianten prägend sind. Im Gegensatz z. B. zu Jindrˇich Feld, der manche Aus­druckssteigerung durch chromatische Entwicklung samt rhythmischen Effekten erreicht, werden hier häufig durch Sequenzie­rung und Reihung Intensivierung und Entspannung erzeugt.
Nach einer massiven Intro im Andante verläuft der erste Satz im raschen Allegro mit viel Laufwerk und einem kurzen „A la Jazz“-Einschub, dessen Ende einer entsprechenden Bezeichnung bedurft hätte. Die Reprise bleibt zunächst unverändert im a-Moll-Grundthema, um sich entsprechend wandelnd bis zu einer Bellows-Shake-Passage zu steigern, aus der sich ein zarter c”’-Triller-Schluss im Pianissimo zurückbildet. Der Intermezzo-Satz (rubato) beginnt im Themenkopf ähnlich dem Pastoralen-Beginn aus Lundquists „Sonatina Piccola“. Einer schneller werdenden Abhangfahrt ähnlich, die abrupt stoppt, beschleunigen sich Sextolen kadenzartig zu einem a-Moll-sfz-Akkord hin, um dann langsam (smorendo) zu enden. Der dritte Satz, Allegro moderato, bewegt sich 6/8-ausgelassen springend mit reichen dynamischen Abstufungen. Das Ende bildet eine kleine Stretta mit Unisono-Einmündung und d-Moll-Schlussakkord im Forte.
Schade, dass die Uraltbezeichnungen für die Manuale der linken Hand als „BB“ und „SB“ immer noch verwendet werden. Registerbezeichnungen links für die weit überwiegenden M-3-Teile werden vermisst.
Die ca. 10-minütige Winter-Sonate könnte dem Schwierigkeitsgrad vier bis fünf entsprechen. Viele Stellen eignen sich auch als Etüden. Das stilistisch eher der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zuzuordnende Werk ist nicht nur eine Bereicherung auf dem Feld der Unterrichtsliteratur, sondern kann auch in Konzert und Wettbewerb Verständnisbrücken bauen hin zu Avantgarde-Kompositionen für Akkordeon.
Maximilian Schnurrer