Kreidler, Dieter / Joscho Stephan
Workshop Gypsy Swing Guitar
für Konzertgitarre, mit Noten, Tabulatur und Performance-Videos
Wer als klassisch ausgebildeter Gitarrist gerne Musik von Django Reinhardt hört (und wer tut das nicht?), aber nicht so recht weiß, wie er sie selbst auf der Konzertgitarre spielen soll, wurde in den vergangenen Jahren von einer Reihe didaktisch arbeitender Autoren bei der Hand genommen. Zuletzt waren es Diknu Schneeberger und Andi Sagmeister mit The Spirit of Gypsy Jazz (Doblinger 2022, Rezension in üben & musizieren 3/2023). Jetzt also ein neues Lehrwerk von Dieter Kreidler in Zusammenarbeit mit dem international bekannten Gypsy-Jazz-Gitarristen Joscho Stephan.
Der Workshop besteht hauptsächlich aus Kompositionen von Django Reinhardt („Daphne“, „Swing 42“) und vom Autorenduo Stephan und Kreidler, gefolgt jeweils von mehreren einfach gehaltenen aufgeschriebenen Improvisationen zum Nachspielen. Das ist eine Art, wie man improvisieren lernen kann.
Es schließt sich jeweils ein leeres Notenblatt an, auf dem man seine eigenen Improvisationsideen eintragen soll. Die Hilfestellung dazu erschöpft sich in den sehr allgemein gehaltenen Hinweisen, „dass man die Melodien und Improvisationsbeispiele durch fantasievolle Anwendungen der Artikulation ‚quasi improvisierend‘ verändert“ (Vorwort) und Arpeggien „als Kernelement der Gypsy Improvisation […] ausgehend von Dur- und Molldreiklängen […] zunehmend über das gesamte Griffbrett verteilt“. Ergänzend werden als Warm-up Drei- und Vierklangs-Zerlegungen in zahlreichen Dur- und Molltonarten mit Verweis auf den klassischen Gitarristen Francisco Tárrega (um 1900) präsentiert. Tiefer steigen die Autoren weder in die Musiktheorie des Gypsy Jazz noch in eine Anleitung zur Improvisation ein.
Gerne würde man Joscho Stephan über die Schulter schauen, wie er aus einem simplen Thema in langsamem Tempo nach und nach eine Improvisation entwickelt, Varianten vorstellt und dabei Tipps gibt. Die Zusammenarbeit zwischen diesem wirklich herausragenden Gypsy-Jazz-Gitarristen und dem fundierten Gitarrendidaktiker Kreidler hätte dann mehr Potenztial, als dieses Heft zeigt.
So bietet der Workshop vor allem eine Reihe von gut klingenden Duos mit Melodie und Begleitung und von Kreidler komponierte Trios, die sich als erster niederschwelliger Einstieg für KlassikgitarristInnen ohne Improvisations- und Plektrumerfahrung in die Welt des Gypsy Jazz eignen, sofern man Mittelstufentechnik samt ausgedehntem Lagenspiel beherrscht. Ein 30-minütiges Video zeigt ein klassisch ausgebildetes Gitarrentrio und auch Stephan und Kreidler in Aktion, die die aufgeschriebenen Improvisationen spielen. Die Timeline der 31 Video-Tracks fehlt leider im Heft. Wer tiefer in die Welt des Gypsy Jazz einsteigen will, kann anschließend mit dem erwähnten Heft von Schneeberger/Sagmeister fortfahren.
Jörg Jewanski