Kücken, Friedrich Wilhelm

Zehn kleine ­Charakterstücke

für Klavier op. 113

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Massonneau, Schwerin 2014
erschienen in: üben & musizieren 6/2015 , Seite 55

Der Schweriner Verlag Massonneau hat sich zur Aufgabe gestellt, das musikalische Erbe Mecklenburg-Vorpommerns einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dass dabei überraschend reizvolle Entdeckungen möglich sind, zeigt der vorliegende Band. Friedrich Wilhelm Kücken (1810-1882) – gebürtig aus der Gegend um Lüneburg – war durchaus nicht nur eine Provinzgröße. Er verbrachte zwar sowohl in der Jugend als auch später insgesamt etwa 28 Jahre in Schwerin, dazwischen studierte er aber in Berlin, Wien und Paris und war u. a. zehn Jahre als Kapellmeister in Stuttgart tätig. Er war also zweifellos mit den Tendenzen des Musiklebens in den großen europäischen Städten vertraut. Im informativen Vorwort des Herausgebers Reinhard Wulfhorst wird auch von der Freundschaft Kückens mit Heinrich Heine berichtet.
Im Gegensatz zu seinen Altersgenossen Chopin und Schumann stand bei Kücken die Klaviermusik nicht im Mittelpunkt seines Schaffens. Er komponierte vor allem Vokalmusik. Die hier zur Rede stehende Sammlung gehört zu den letzten gedruckten Werken des Komponisten. Wer die Widmungsträgerin („eine junge Freundin“) sein könnte, ist nach Aussage des Herausgebers bisher nicht bekannt. Offenbar machte sie aber sehr rasche Fortschritte im Klavierspiel, denn der Schwierigkeitsgrad nimmt von den ersten Zweizeilern bis zu den letzten, bis zu drei Seiten umfassenden Stücken kontinuierlich zu.
Es dominieren mittlere Tempi, Al­legro non troppo ist das schnells­te. Ungewöhnlich ist, dass nur Dur-Tonarten vertreten sind. Alle Stücke verfügen aber ohne Zweifel über einen jeweils ganz eigenständigen Tonfall. Das Ausdrucksspektrum reicht von Choralartigem über Präludien, Tanz, Lied ohne Worte, Notturno bis hin zu einem Scherzo.
Die Stücke sind in Bezug auf Artikulation und Dynamik vom Komponisten sorgfältig bezeichnet. Der Klaviersatz ist vielfältig und pianistisch durchaus angenehm zu spielen. Polyfone Elemente stehen neben einem harmonischen Satz, in dem auch mal die linke Hand die Melodie übernimmt. Überraschend ist ein Neuntakter im ersten kleinen Stück. Im vierten Stück („Lied ohne Worte“) überzeugen die kleinen Veränderungen, die bei jeder Wiederholung des Themas auftreten. Hin und wieder gibt es auch mal üppige, vollgriffige Momente, aber insgesamt bleibt der Schwierigkeitsgrad auch bei den anspruchsvolleren Stücken noch im mittleren Bereich.
Das Notenbild ist übersichtlich. Zu bedauern ist lediglich, dass der Editionsbericht nur online eingesehen werden kann. Die Ver­änderungen des Heraus­gebers beziehen sich auf Angleichungen von Parallelstellen. Zweimal scheint es Druckfehler zu geben: In Stück Nr. 8 bezieht sich der Kommentar auf die Takte 1 und 9, richtig wäre wohl 2 und 10; in Stück Nr. 9, T. 30-32, bezieht sich der Kommentar auf Halbe statt Viertel; im Notentext für die linke Hand ist zudem die erwähnte Angleichung nicht erfolgt.
Linde Großmann

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