Knubben, Thomas / Petra Schneidewind (Hg.)

Zukunft für Musikschulen

Herausforderungen und Perspektiven der Zukunftssicherung öffentlicher Musikschulen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: transcript, Bielefeld 2007
erschienen in: üben & musizieren 3/2008 , Seite 56

Die Herausgeber legen ein Arbeitsbuch vor, das in vielfacher Hinsicht bei der Weiterentwicklung des Musikschulwesens hilfreich sein kann. In sechs Aufsätzen werden Situationsanalysen aus unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt und in neun weiteren Arbeiten zukunftsorientierte Ansätze unterbreitet.
Den einzelnen Analysen ist nicht unbedingt zuzustimmen, weisen sie doch recht unterschiedliche Qualitäten auf. So mahnt Thomas Knubben in seinem Problemaufriss an, dass „die stets beteuerte Zugänglichkeit und Offenheit der Musikschulen für alle sozialen Gruppen […] zahlenmäßig überprüft“ werden müsse, was jedoch nicht geschähe. Doch der Datenschutz erlaubt keine Abfrage über soziale Verhältnisse! Die Interpretation der VdM-Statistik erscheint etwas fragwürdig. Anstieg und Absinken der Schulanzahl sind weniger mit Schließungen zu begründen als mit politischen Entwicklungen insbesondere in Mitteldeutschland. Diese beiden Gründe undifferenziert zusammenzuschließen, ist wissenschaftlich unkorrekt. Wenn von der „neuen Gruppe der qualifizierten Privatmusikschulen“ gesprochen wird, so verwundert es, wenn an keiner Stelle die Qualifikation belegt wird, sondern ausschließlich Material des VdM herangezogen wird und keines vom bdpm, der Organisation der privaten Musikschulen.
Oliver Scheytt gibt konkrete Handlungsanleitung zu bildungspolitischer Aktivität seitens der Musikschule. Wichtiger Hinweis: „Die Mitarbeiterschaft ist in den Prozess einzubeziehen.“ Die Analyse des Arbeitsmarkts der Musikschullehrkräfte von Sebastian Fischer trifft die Situation recht genau. Der Anspruch der Wissenschaftlichkeit erscheint etwas fragwürdig, da lediglich bekannte Fakten dargelegt sind, die Ableitungen jedoch eher im Bereich der Vermutungen und Schuldzuweisungen liegen.
Michael Eberhard zeichnet ein sehr realistisches Bild vom Musikschulmanagement, das neue Anforderungen beinhaltet als die rein künstlerisch-pädagogische Leitung früherer Jahre. Er plädiert für den gesetzlichen Schutz der Marke „Musikschule“, da diesen Begriff „durchaus auch private Anbieter, die meist nur für ein für sie lukratives, nach den jeweiligen momentanen Trends ausgerichtetes Marktsegment anbieten, für sich vereinnahmen“. Die Kooperationen allgemein bildender Schulen und öffentlicher Musikschulen unterzieht Peter Imort einer fundierten, überzeugenden musikdidaktischen Betrachtung und macht auf die Gefahr der Entwicklung einer musikalischen Monokultur aufmerksam, wenn der Musikunterricht im Klassenverband ausschließlich aus einem bestimmten Instrumentalunterricht besteht. Mit dem Datenmaterial des VdM belegt er die vielfältigen Formen der Kooperation und befürwortet diese grundsätzlich, wenn sie qualifiziert gestaltet werden.
Nach diesen Bestandsaufnahmen werden in den folgenden Aufsätzen Perspektiven aufgezeigt. Da ist zunächst die von Manfred Grunenberg beschriebene Initiative „Jedem Kind ein Instrument“. Beginnend mit der Genesis wird das Projekt detailliert auch mit den noch vorhandenen Unwägbarkeiten dargestellt. Ein musikpädagogischer Flächenbrand wäre wünschenswert – es gilt abzuwarten. Im Beitrag von Juliane Schmidt und Volker Gerland mit der Forderung „Musikschulen als Zentren gesellschaftlicher Musikalisierung“ wird zunächst die Situation und Perspektive in Nordrhein-Westfalen geschildert. Die positive Grundstimmung wird abgeleitet aus der Möglichkeit der „vielfältigen Kooperationszusammenhänge“ sowie der Erschließung neuer Felder.
Friedbert Holz sieht die Einrichtung von Projektbereichen als Marketingaufgabe für Musikschulen. Ausgehend von „Musikschule 2000“ aus NRW, das er inhaltlich für überholt hält, sieht er aktueller denn je die gesellschaftlichen Veränderungen, auf die mit Projekten reagiert werden kann. Holz verschweigt nicht die Gefahren und Tücken der Projektarbeit und konkretisiert schließlich seine Ausführungen am Beispiel dreier sehr verschiedener Musikschulen.
Einem noch vielfach wenig berücksichtigten Bereich widmet sich Andreas Fervers: den neuen Medien in Musikschulen. Ausgehend von einer Befragung von 402 Musikschulleitungen entwickelt er einen Aufriss der Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Hierbei wird auch die Finanzierungsmöglichkeit dargestellt. Sein Fazit: Durch die Integration des noch schwach entwickelten Bereichs Neue Medien besteht die „Chance […], einen wesentlichen Teil zur Sicherung der Legitimation und der Zukunft der Musikschulen beizutragen“. Einen völlig anderen Aspekt spricht Matthias Herrmann an: die Beziehungen zwischen Hochschulen und Musikschulen. In seiner Bestandsaufnahme, der zuzustimmen ist, mutet jedoch ein Vorwurf an die Musikschulen seltsam an: Diese würden die Studienanwärter in den theoretischen Fächern nicht hinreichend auf die Aufnahmeprüfung an der Hochschule vorbereiten. Im Musikunterricht an Gymnasien werden „nur Kenntnisse der Allgemeinbildung vermittelt, die aber in keinem Verhältnis zu einer berufsvorbereitenden Qualifizierung stehen“. Und wie ist es mit der Mathematik?
Petra Schneidewind zeigt „den Weg zu einem effektiven Informationssystem“ für den „optimalen Einsatz von betriebswirtschaftlichen Instrumentarien“ auf. Logisch-transparent aufgebaut wird die Notwendigkeit einer Kosten-Nutzen-Rechnung als Basis eines Musikschul-Management-Informationssystems in Fortführung der Qualitätssysteme Edur und QsM dargestellt. Hierbei erläutert sie auch die „Balanced Scorecard“ – ein lesens- und bemerkenswerter Beitrag! Heike Oertel hingegen richtet das Augenmerk auf die „Randzonen“ der Musikschularbeit, die „Value-Added-services“. Hiermit sind interessante Zusatzleistungen gemeint, womit Musikschulen ihre Kunden binden, ihre Position verdeutlichen und auch ihre Zukunft sichern können. Oertel unterscheidet in drei Kategorien: Muss – Soll – Kann. Am Beispiel zweier Schulen exemplifiziert sie diese Dienste.
Zur Abrundung bietet Franz-Otto Hofecker einen Blick über den Zaun nach Österreich. Er gibt einen Überblick über das dortige Musikschulwesen sowie die damit verbundene Forschung. Hierzu dient ihm Datenmaterial, das jüngste allerdings aus dem Jahr 2004. So beklagt er auch das Fehlen einer soliden Verbandsarbeit nach dem Vorbild des VdM – insgesamt ein interessanter Einblick ins Nachbarland!
Gerd Eicker