Abel, Clamor Heinrich
Zwei Suiten
für Violine und Generalbass, Partitur und Violinstimme
„Bremen ist eine Musikstadt“, schreibt Bremens ehemaliger Bürgermeister Henning Scherf. Der Musikwissenschaftler Oliver Rosteck erforscht das Musikleben der Hansestadt seit vielen Jahren. Neben einer Bremer Musikgeschichte veröffentlichte er Notenausgaben mit Werken von Johann Heinrich Loewe oder des als Komponisten weitgehend unbekannten Adolf Freiherr von Knigge.
Die neueste Ausgabe ist zwei Suiten von Clamor Heinrich Abel (1634-1696) gewidmet. Die Abels waren – vergleichbar den Bachs – eine Musikerfamilie, die sich bis ins ausgehende 16. Jahrhundert zurückverfolgen lässt und deren bekanntester Spross Carl Friedrich Abel war. Das erste als Musiker wirkende Mitglied dieser Familie war Heinrich Othmar Abel, der ab 1615 in Bremen lebte. Er war der Großvater von Clamor Heinrich Abel, der in Celle und Hannover als Organist und Viola-da-Gamba-Spieler wirkte und zwei Jahre vor seinem Tod zum Leiter der Bremer Ratsmusik bestimmt wurde.
Die beiden Suiten in G-Dur und g-Moll geben einen Einblick in Bremens bürgerliche Musikpflege des 17. Jahrhunderts. Dass auf einzelne Tänze oft Variationen folgen, deutet auf eine Improvisationspraxis hin, die hier niedergeschrieben wurde. Die Noten spiegeln also eine höchst lebendige Musikkultur wider! Zumeist ist die Violinstimme auf die erste bis dritte Lage begrenzt. Doch die technischen Schwierigkeiten dieser Musik sollte man nicht unterschätzen. Es gibt viele Saitenwechsel, die mit der notwendigen Behändigkeit gemeistert werden müssen. Die eigentliche Herausforderung ist die Artikulation. Das Notenbild erscheint original, ohne Vorschläge für Stricharten durch den Herausgeber. Dies bedeutet, dass sich die SpielerInnen eine sinnvolle und sprechende Einteilung der Melodie und die Stricharten selbst zurechtlegen müssen, um den spezifischen Charakter der Tänze herauszuarbeiten. Die Generalbassstimme wurde von Oliver Rosteck stilgetreu ausgesetzt.
Beide Suiten lohnen sich sowohl für den Unterricht als auch für den Konzertsaal. Das Tänzerische, die Spielfreude, eine erstaunliche Virtuosität fesseln auch heute noch. Dabei ist die zweite Suite in g-Moll aufgrund ihrer für die damalige Zeit kühnen Harmonik besonders ergreifend: Chromatische Akkordverbindungen und ein bisweilen überraschender Wechsel der Tonart weisen auf Johann Sebastian Bach voraus. Auch ergibt sich insbesondere in der Gigue ein dichtes Duettieren zwischen Violinstimme und Bass.
Diese Edition bemüht sich um ein klar lesbares und dem originalen Text entsprechendes Notenbild. Schön wäre es, wenn der Herausgeber auch die Quellen angegeben hätte für Musiker, die mehr in die Tiefe dringen wollen. Doch zweifellos ist diese Ausgabe eine wertvolle Bereicherung des Violinrepertoires.
Franzpeter Messmer