Franck, Eduard

Zwölf Studien

für Klavier op. 1, Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Pfefferkorn Musikverlag, Leipzig 2013
erschienen in: üben & musizieren 5/2014 , Seite 58

Der Pianist und Komponist Eduard Franck (1817-1893) stammte aus Breslau und war von seinem 17. bis zum 20. Lebensjahr Schüler von Felix Mendelssohn Bartholdy. Einige Jahre des Reisens durch Frankreich, England und Italien schlossen sich dieser Lehr­zeit an, und von 1845 bis 1851 lebte Franck in Berlin. Von 1851 bis 1859 wirkte er als Lehrer für Klavier und Musiktheorie an der Rheinischen Musikschule Köln. Weitere Stationen seines Lebens waren Bern, wo er 1859 die Leitung der neu gegründeten Musikschule übernahm, und Berlin, wo er von 1867 an zunächst am Stern’schen Konservatorium, spä­ter an Breslaurs Seminar lehrte. Als Komponist zahlreicher Klavier-, Kammermusik- und Orchesterwerke war er zu seiner Zeit hoch geschätzt.
Der Pfefferkorn Musikverlag hat sich die Aufgabe gestellt, Francks Gesamtwerk neu (und teilweise erstmals) im Urtext herauszugeben. Verschiedene Kammermusikwerke sind bereits erschienen, und mit den 1837 bei Kistner in Leipzig publizierten, Mendelssohn gewidmeten Zwölf Studien für Klavier op. 1 beginnt die Reihe der Klavier-Solowerke. Lebensgeschichtlich markiert dieses Werk den Abschluss von Francks Lehrjahren bei Mendelssohn, dessen prägender Einfluss sowohl in der pianistischen Aufgabenstellung als auch im musikalischen Idiom deutlich erkennbar ist.
In den schnellen Stücken wird das ganze Repertoire von Mendelssohns eleganter, niemals gewaltsamer Virtuosität gefordert: leggiero-Passagen, weite Arpeggien, Sprünge, rasches Ineinandergreifen der Hände. Dazwischen stehen ruhige, gesang­liche Stücke und auch eine Fuge fehlt nicht. Der Klaviersatz ist hell und durchsichtig. Bewundernswert ist die Souveränität, mit der Franck bereits in diesem Erstlingswerk seine musikalischen Ideen ausarbeitet und jedem Stück eine abgerundete Form verleiht.
Leider ist die Ausgabe nicht frei von Druckfehlern. Im siebten Stück, Takt 39 ist das Auflösezeichen für das cis um eine Terz nach oben gerutscht und fehlt im folgenden Takt ganz. In Nr. 8, Takt 3 muss es zu Beginn in der Mittelstimme g statt a heißen, analog zur Parallelstelle Takt 22. In Nr. 9, Takt 5 ist der erste Akkord der rechten Hand um eine Terz zu tief notiert und muss der Parallelstelle Takt 29 angeglichen werden. In diesem Stück sollte außerdem deutlich gemacht werden, an welchen Stellen das Oktavierungszeichen im oberen System nur für die rechte Hand gilt, nicht aber für die Arpeggien der linken Hand, deren höchste Töne ebenfalls in dieses System hineinragen. Nr. 10 steht im Dreivierteltakt, doch die Metronomangabe bezieht sich auf die halbe Note.
Möglicherweise sind einige der genannten Unstimmigkeiten bereits in der einzig verfügbaren Quelle von 1837 enthalten – doch eine Urtextausgabe kann sich nicht einfach mit Abschreiben begnügen, sondern sollte an fraglichen Stellen eine Entscheidung treffen und diese in einem kritischen Bericht begründen.
Sigrid Naumann